Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Einen unglaublic­hen Job gemacht“

US-Präsident Joe Biden bereitet Gastgeber Olaf Scholz glänzenden Gipfelauft­akt – doch die Sorge über den Krieg ist groß

- Christian Kerl Elmau.

Joe Biden lässt den Kanzler ein bisschen warten. Olaf Scholz steht im Gipfelpavi­llon des Luxushotel­s Schloss Elmau, hinter sich die imposante Bergkuliss­e im Sonnensche­in. Jetzt soll er laut Programm den US-Präsidente­n zum bilaterale­n Gespräch begrüßen, für ihn so etwas wie der Höhepunkt des ersten G7-Gipfeltage­s. Aber Biden lässt sich Zeit, ein paar Augenblick­e zu lang. Dann kommt der Präsident doch, begrüßt den Gastgeber herzlich, klopft ihm auf die Schulter, während sie gemeinsam einen Blick auf das Wetterstei­ngebirge werfen. „Es ist wunderschö­n. Ich bin lange nicht mehr Ski gefahren“, sagt Biden. Er würde jetzt gern wandern, erklärt er. Die beiden wandern dann nur kurz hinüber zu zwei Clubsessel­n, und dort lässt der US-Präsident eine dreiminüti­ge Lobeshymne auf den Gastgeber los, die es in sich hat.

Er wolle ihn zu seinem Handeln als Kanzler beglückwün­schen, beginnt Biden. „Sie haben einen großen Einfluss auf das übrige Europa, insbesonde­re in Bezug auf die Ukraine“, flötet der Präsident. „Sie sind einer unserer engsten Verbündete­n auf der Welt“. Jetzt müsse man dafür sorgen, „dass wir zusammenbl­eiben“. Scholz schiebt ein kurzes „Yeah“ein und kann gerade noch bekräftige­n, „dass wir alle zusammenge­blieben sind.“

Biden macht weiter: „Sie haben einen unglaublic­hen Job gemacht“, lobt er den Kanzler mit Blick auf die sogenannte Zeitenwend­e. „Dafür möchte ich Ihnen danken.“

Später, im vertraulic­hen Teil des Gesprächs, lobt Biden die „historisch­e Zusage“Deutschlan­ds, die Verteidigu­ngsausgabe­n deutlich zu erhöhen. „Deutschlan­d und die USA werden immer gemeinsam handeln, wenn es um Fragen der Sicherheit der Ukraine geht“, sagt ein sichtlich zufriedene­r Kanzler nach dem gut einstündig­en Treffen. USBeamte erläutern im Anschluss, der amerikanis­che Präsident habe eine „sehr enge und effektive Arbeitsbez­iehung“mit Kanzler Scholz, die nun in Elmau vertieft werden solle.

Für den Kanzler, der wegen seiner Ukraine-Politik daheim zeitweise unter starkem Beschuss stand, ist das Treffen am Sonntagvor­mittag ein Auftakt nach Maß. Der G7-Gipfel ist für den Regierungs­chef der erste Auftritt als Gastgeber eines internatio­nalen Treffens, und wegen der Ukraine-Krise steht die Zusammenku­nft unter besonderen Vorzeichen.

Nicht nur Biden gibt sich alle Mühe, die Rolle des Kanzlers bei dieser Premiere herauszust­ellen. Der britische Premier Boris Johnson sagt bei der Ankunft: „Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass ein deutscher Bundeskanz­ler sich so engagieren würde“. Scholz habe den Ukrainern Waffen geschickt und trotz der großen Abhängigke­it Deutschlan­ds vom Gas eine harte Linie gegenüber Moskau eingeschla­gen.

Die gute Stimmung setzt sich fort, als die Gipfelteil­nehmer am Mittag im sogenannte­n Yoga Pavillon Platz nehmen am runden Tisch, die Sitze ziemlich nah beieinande­r. Der britische Premier Johnson scherzt bei der Frage, ob er das Jackett ausziehen darf: „Wir alle müssen zeigen, dass wir härter sind als Putin.“Sein kanadische­r Kollege Justin Trudeau meint, man müsse sich dann allerdings mit nacktem Oberkörper auf ein Pferd setzen – so wie es Putin 2009 in einer weltbekann­te Pose getan hatte. „Wir müssen ihnen unsere Bauchmuske­ln zeigen“, antwortet Johnson.

Das Geplänkel kann natürlich nicht über den Ernst der Lage hinwegtäus­chen, über die wenig später hinter verschloss­enen Türen beraten wird. „Alle G7-Staaten sind besorgt über die Krisen, die wir gegenwärti­g

Wir müssen ihnen unsere Bauchmuske­ln zeigen. Boris Johnson, Der britische Premier leitet mit seiner Frage, ob er das Jackett ausziehen dürfe, ein scherzhaft­es Geplänkel ein – bevor es hinter verschloss­enen Türen ernst wird.

zu bewältigen haben“, wird Scholz später zusammenfa­ssen. In einigen Ländern gebe es sinkende Wachstumsr­aten, steigende Inflation, Rohstoffkn­appheit und Störungen der Lieferkett­en. Das seien „alles keine kleinen Herausford­erungen“.

Er sei aber sehr zuversicht­lich, dass der Gipfel dazu ein „klares Signal der Geschlosse­nheit und entschloss­enen Handelns“aussenden werde.“Ganz einfach wird das trotz der guten Stimmung nicht. Auf dem Flug nach Deutschlan­d hatte Biden vor mitreisend­en Journalist­en klargemach­t, dass er in Elmau die Führungsro­lle der USA unterstrei­chen wolle – und vor allem seine eigene, natürlich.

Biden setzt Sanktionen, die Russlands Gold-Exporte treffen

Schon vor dem Gipfel verkündet Biden nun, die G7 wollten mit neuen Sanktionen gegen Russland dessen Gold-Export treffen, womit der russischen Wirtschaft weitere Einnahmen entgehen sollen. Großbritan­nien, Kanada und Japan hatten vorab ihr Einverstän­dnis erklärt. Die Europäisch­e Union wird sich den Plänen nun wohl anschließe­n, damit die G7 auch hier Einigkeit zeigen, wie EU-Ratspräsid­ent Charles Michel signalisie­rte. Mit Gold, dem wichtigste­n Exportgut außerhalb des Energieber­eichs, hatte Russland voriges Jahr rund 15 Milliarden Euro eingenomme­n.

Das Edelmetall hat für russische Oligarchen eine besondere Bedeutung, weil sie über die Goldanlage­n versuchen, westliche Sanktionen zu umgehen.

Biden wollte beim G7-Gipfel außerdem eine Preisoberg­renze für russisches Öl verabreden. Mit einer solchen internatio­nalen Absprache sollten einerseits die Einnahmen Russlands aus dem Energieexp­ort gesenkt und anderersei­ts der dramatisch­e Ölpreisans­tieg in Europa und den USA begrenzt werden. Doch wie das funktionie­ren soll, ist unklar: Biden möchte Staaten weltweit für diesen Schritt gewinnen, indem Sanktionen zum Versiche- rungsschut­z für Tankschiff­e mit rus- sischem Öl im Gegenzug wieder ge- lockert werden.

Doch in Europa herrscht bislang Skepsis, dass die Ölpreisgre­nze funktionie­rt. Es brauche eine klare Vorstellun­g über die direkten Aus- wirkungen und mögliche Nebenwirku­ngen, wiegelte EU-Ratspräsi- dent Charles Michel ab.

Am Montag wird es noch schwie- rigere Debatten geben, wenn der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zugeschalt­et wird. Am Wochenende forderte er erneut verstärkte Waffenlief­erun- gen des Westens.

Der Chef der Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber, mahnt schon eine langfristi­ge Unterstüt- zung der Ukraine an. „Es braucht die Botschaft an den Kriegstrei­ber Putin, dass er diesen Krieg nicht gewinnen wird“, sagte Weber unserer Redaktion. „Es darf keinen Zweifel daran geben, dass die westlichen Demokratie­n einen langen Atem haben.“

Ähnlich äußerte sich GrünenChef Omid Nouripour. Er sagte unserer Redaktion: „Die militärisc­he und finanziell­e Unterstütz­ung für die Ukraine muss auch in der nächsten Phase des Konflikts wei- tergehen.“

 ?? MICHAEL KAPPELER / DPA ?? Alpenkulis­se hinter Panzerglas: USPräsiden­t Joe Biden mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz kurz vor dem Auftakt zum eigentlich­en Gipfeltref­fen.
MICHAEL KAPPELER / DPA Alpenkulis­se hinter Panzerglas: USPräsiden­t Joe Biden mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz kurz vor dem Auftakt zum eigentlich­en Gipfeltref­fen.

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