Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
„Einen unglaublichen Job gemacht“
US-Präsident Joe Biden bereitet Gastgeber Olaf Scholz glänzenden Gipfelauftakt – doch die Sorge über den Krieg ist groß
Joe Biden lässt den Kanzler ein bisschen warten. Olaf Scholz steht im Gipfelpavillon des Luxushotels Schloss Elmau, hinter sich die imposante Bergkulisse im Sonnenschein. Jetzt soll er laut Programm den US-Präsidenten zum bilateralen Gespräch begrüßen, für ihn so etwas wie der Höhepunkt des ersten G7-Gipfeltages. Aber Biden lässt sich Zeit, ein paar Augenblicke zu lang. Dann kommt der Präsident doch, begrüßt den Gastgeber herzlich, klopft ihm auf die Schulter, während sie gemeinsam einen Blick auf das Wettersteingebirge werfen. „Es ist wunderschön. Ich bin lange nicht mehr Ski gefahren“, sagt Biden. Er würde jetzt gern wandern, erklärt er. Die beiden wandern dann nur kurz hinüber zu zwei Clubsesseln, und dort lässt der US-Präsident eine dreiminütige Lobeshymne auf den Gastgeber los, die es in sich hat.
Er wolle ihn zu seinem Handeln als Kanzler beglückwünschen, beginnt Biden. „Sie haben einen großen Einfluss auf das übrige Europa, insbesondere in Bezug auf die Ukraine“, flötet der Präsident. „Sie sind einer unserer engsten Verbündeten auf der Welt“. Jetzt müsse man dafür sorgen, „dass wir zusammenbleiben“. Scholz schiebt ein kurzes „Yeah“ein und kann gerade noch bekräftigen, „dass wir alle zusammengeblieben sind.“
Biden macht weiter: „Sie haben einen unglaublichen Job gemacht“, lobt er den Kanzler mit Blick auf die sogenannte Zeitenwende. „Dafür möchte ich Ihnen danken.“
Später, im vertraulichen Teil des Gesprächs, lobt Biden die „historische Zusage“Deutschlands, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. „Deutschland und die USA werden immer gemeinsam handeln, wenn es um Fragen der Sicherheit der Ukraine geht“, sagt ein sichtlich zufriedener Kanzler nach dem gut einstündigen Treffen. USBeamte erläutern im Anschluss, der amerikanische Präsident habe eine „sehr enge und effektive Arbeitsbeziehung“mit Kanzler Scholz, die nun in Elmau vertieft werden solle.
Für den Kanzler, der wegen seiner Ukraine-Politik daheim zeitweise unter starkem Beschuss stand, ist das Treffen am Sonntagvormittag ein Auftakt nach Maß. Der G7-Gipfel ist für den Regierungschef der erste Auftritt als Gastgeber eines internationalen Treffens, und wegen der Ukraine-Krise steht die Zusammenkunft unter besonderen Vorzeichen.
Nicht nur Biden gibt sich alle Mühe, die Rolle des Kanzlers bei dieser Premiere herauszustellen. Der britische Premier Boris Johnson sagt bei der Ankunft: „Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass ein deutscher Bundeskanzler sich so engagieren würde“. Scholz habe den Ukrainern Waffen geschickt und trotz der großen Abhängigkeit Deutschlands vom Gas eine harte Linie gegenüber Moskau eingeschlagen.
Die gute Stimmung setzt sich fort, als die Gipfelteilnehmer am Mittag im sogenannten Yoga Pavillon Platz nehmen am runden Tisch, die Sitze ziemlich nah beieinander. Der britische Premier Johnson scherzt bei der Frage, ob er das Jackett ausziehen darf: „Wir alle müssen zeigen, dass wir härter sind als Putin.“Sein kanadischer Kollege Justin Trudeau meint, man müsse sich dann allerdings mit nacktem Oberkörper auf ein Pferd setzen – so wie es Putin 2009 in einer weltbekannte Pose getan hatte. „Wir müssen ihnen unsere Bauchmuskeln zeigen“, antwortet Johnson.
Das Geplänkel kann natürlich nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen, über die wenig später hinter verschlossenen Türen beraten wird. „Alle G7-Staaten sind besorgt über die Krisen, die wir gegenwärtig
Wir müssen ihnen unsere Bauchmuskeln zeigen. Boris Johnson, Der britische Premier leitet mit seiner Frage, ob er das Jackett ausziehen dürfe, ein scherzhaftes Geplänkel ein – bevor es hinter verschlossenen Türen ernst wird.
zu bewältigen haben“, wird Scholz später zusammenfassen. In einigen Ländern gebe es sinkende Wachstumsraten, steigende Inflation, Rohstoffknappheit und Störungen der Lieferketten. Das seien „alles keine kleinen Herausforderungen“.
Er sei aber sehr zuversichtlich, dass der Gipfel dazu ein „klares Signal der Geschlossenheit und entschlossenen Handelns“aussenden werde.“Ganz einfach wird das trotz der guten Stimmung nicht. Auf dem Flug nach Deutschland hatte Biden vor mitreisenden Journalisten klargemacht, dass er in Elmau die Führungsrolle der USA unterstreichen wolle – und vor allem seine eigene, natürlich.
Biden setzt Sanktionen, die Russlands Gold-Exporte treffen
Schon vor dem Gipfel verkündet Biden nun, die G7 wollten mit neuen Sanktionen gegen Russland dessen Gold-Export treffen, womit der russischen Wirtschaft weitere Einnahmen entgehen sollen. Großbritannien, Kanada und Japan hatten vorab ihr Einverständnis erklärt. Die Europäische Union wird sich den Plänen nun wohl anschließen, damit die G7 auch hier Einigkeit zeigen, wie EU-Ratspräsident Charles Michel signalisierte. Mit Gold, dem wichtigsten Exportgut außerhalb des Energiebereichs, hatte Russland voriges Jahr rund 15 Milliarden Euro eingenommen.
Das Edelmetall hat für russische Oligarchen eine besondere Bedeutung, weil sie über die Goldanlagen versuchen, westliche Sanktionen zu umgehen.
Biden wollte beim G7-Gipfel außerdem eine Preisobergrenze für russisches Öl verabreden. Mit einer solchen internationalen Absprache sollten einerseits die Einnahmen Russlands aus dem Energieexport gesenkt und andererseits der dramatische Ölpreisanstieg in Europa und den USA begrenzt werden. Doch wie das funktionieren soll, ist unklar: Biden möchte Staaten weltweit für diesen Schritt gewinnen, indem Sanktionen zum Versiche- rungsschutz für Tankschiffe mit rus- sischem Öl im Gegenzug wieder ge- lockert werden.
Doch in Europa herrscht bislang Skepsis, dass die Ölpreisgrenze funktioniert. Es brauche eine klare Vorstellung über die direkten Aus- wirkungen und mögliche Nebenwirkungen, wiegelte EU-Ratspräsi- dent Charles Michel ab.
Am Montag wird es noch schwie- rigere Debatten geben, wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zugeschaltet wird. Am Wochenende forderte er erneut verstärkte Waffenlieferun- gen des Westens.
Der Chef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, mahnt schon eine langfristige Unterstüt- zung der Ukraine an. „Es braucht die Botschaft an den Kriegstreiber Putin, dass er diesen Krieg nicht gewinnen wird“, sagte Weber unserer Redaktion. „Es darf keinen Zweifel daran geben, dass die westlichen Demokratien einen langen Atem haben.“
Ähnlich äußerte sich GrünenChef Omid Nouripour. Er sagte unserer Redaktion: „Die militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine muss auch in der nächsten Phase des Konflikts wei- tergehen.“