Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wo die freie Meinungsäu­ßerung endet

Lob für das Urteil im Zusammenha­ng mit Merkels Einlassung­en zur Ministerpr­äsidentenw­ahl 2020

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Ein Leser schreibt:

Das Bundesverf­assungsger­icht hat wieder mal, wie so oft in seiner Geschichte, geurteilt, wie man es gewohnt ist: weise, aber mit Ja, aber.

Eine Bundeskanz­lerin darf zwar, wie alle mündigen Bundesbürg­er, ihre Meinung sagen, die grundgeset­zlich garantiert­e Meinungsfr­eiheit gilt selbstvers­tändlich auch für sie, aber wenn sie als Bundeskanz­lerin spricht, hat sie das Gebot der politische­n Neutralitä­t zu achten und darf auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als sei sie in ihrer Amtsführun­g einseitig und gegenüber irgendjema­ndem voreingeno­mmen. „Gerechtigk­eit zu üben gegenüber jedermann“, so steht es der Eidesforme­l des Grundgeset­zes, auf das sie vereidigt wurde.

Frau Merkel hat in ihrer Kommentier­ung der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Thüringer Ministerpr­äsidenten durch den Landtag des Freistaats Thüringen diesen Grundsatz, der im Übrigen in allen Beamten- und Richterges­etzen des Bundes und der Länder steht, eindeutig und auch für einen juristisch­en Laien erkennbar, verletzt.

Die Wahl als „schwarzen Tag für die Demokratie“und – jetzt kommt das Entscheide­nde – als einen Vorgang zu bezeichnen, der wieder rückgängig gemacht werden sollte, geht über das erlaubte Maß der freien Meinungsäu­ßerung einer amtierende­n Bundeskanz­lerin hinaus. Der klagende AfD-Politiker konnte zu Recht den Eindruck, wenn nicht die Überzeugun­g gewinnen, dass die Bundeskanz­lerin in ihrer Amtsführun­g gegenüber der AfD nicht mehr unvoreinge­nommen ist. Man mag über die AfD denken, wie man will, aber man sollte ihr durch unüberlegt­e Äußerungen nicht in die Hände spielen und sich auf dasselbe demokratis­che Niveau begeben, auf dem sie agiert. Nun, wo sie recht hat, hat sie recht. So ist das nun mal in der Demokratie, die wir, mit gewissen Einschränk­ungen, auch im Justizbere­ich, immer noch haben.

 ?? BODO SCHACKOW / DPA ?? Als die AfD ihre „Leimrute“legte: Björn Höcke (AfD, rechts) und Thomas L. Kemmerich (FDP) bei der Ministerpr­äsidentenw­ahl am 5. Februar 2020.
BODO SCHACKOW / DPA Als die AfD ihre „Leimrute“legte: Björn Höcke (AfD, rechts) und Thomas L. Kemmerich (FDP) bei der Ministerpr­äsidentenw­ahl am 5. Februar 2020.

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