Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Das Gute wahrnehmen
Manfred Hilsemer denkt nach über die Unzufriedenheit vieler
„Ich bin mit meiner Situation überhaupt nicht zufrieden! Früher war alles besser!“– tönt es aus allen Kanälen. Unzufriedenheit scheint mir immer mehr zur Gesamt-Gefühlslage in unserer Gesellschaft zu werden. Was kann man dagegen nur tun?
Manche meinen: Wenn man jedem Bürger unseres Landes 3000 Euro pro Monat auszahlen würde, dann würde alles besser werden und alle wären zufrieden. Ist Zufriedenheit ausschließlich mit Geld herzustellen? Ich glaube das nicht.
Ich erinnere mich daran, dass wir unsere Tochter in Ghana besucht haben, als diese dort ein freiwilliges soziales Jahr absolviert hat. Die meisten Menschen leben dort in armseligen Wellblechhütten. Komfort gibt es praktisch nicht. Aber in den zwei Wochen dort sind mir so viel fröhliche und zufriedene Menschen begegnet wie in Deutschland in einem Jahr nicht!
Was also führt zur Zufriedenheit? Zum einen natürlich, dass man etwas zu essen hat. Aber entscheidend ist doch, dass die Seele Nahrung bekommt.
Der Geigenbaumeister und geistliche Autor Martin Schleske hat folgenden genialen Satz aufgeschrieben: „Nicht das Gute, das wir erleben, sondern der Dank für das Gute, das wir erleben, nährt das Seelenleben.“
Ich habe viele Menschen erlebt, die ihren Blick nur auf das Schlechte fokussiert haben. Sie können deshalb das Gute gar nicht mehr wahrnehmen!
Lassen Sie uns doch aufmerksam sein für die guten Dinge im Leben, die oftmals nicht spektakulär sind. Ich treffe zum Beispiel einen früheren Arbeitskollegen, und wir freuen uns darüber, dass wir über alte Zeiten palavern können. Herrlich! Oder ich genieße den Frühlingsspaziergang im wunderschönen Thüringer Wald.
„Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat.“(Ps. 103,2)
Manfred Hilsemer ist Pfarrer im Ruhestand aus Eisenach.