Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

AfD -Kandidat ist bereit umzuziehen

Mit Stephan Müller (56) schickt die Partei einen Kandidaten, der nicht aus Eisenach kommt

- Jensen Zlotowicz

Mit der DDR konnte Stephan Müller nichts anfangen. Mit Staat und SED war der Katholik auf Kriegsfuß. Kein Jugendweih­e, keine FDJ, deshalb kein Platz an der EOS für den Klassenpri­mus. Für ihn blieb ein Job in der Landwirtsc­haft. Die Wende eröffnete Stephan Müller buchstäbli­ch neue Welten. Bald trat er in die (neue) CDU ein, wurde mit 22 Jahren jüngstes Gemeindera­tsmitglied in seinem Heimatort Bernterode und absolviert­e die Thüringer Verwaltung­shochschul­e.

Für Müller spielt Parteipoli­tik eine Nebenrolle

Stephan Müller hat Köpfchen. Jahrelang spielte er in der Bezirkslig­a Schach am zweiten Brett. Logik, Denksport - das ist sein Ding. In der Kommunalab­teilung des Thüringer Innenminis­teriums gilt er als Fachmann. Aber dann bei der als gesichert rechtsextr­em eingestuft­en AfD anheuern? Als Christ? Für Müller schloss sich das nie aus. Mit der CDU kam er nicht mehr überein, sagt er, und überdies sei er nicht die AfD. „Auf kommunaler Ebene spielt Parteipoli­tik eine Nebenrolle“, so der OB-Kandidat. Bei der Kandidatur 2018 nutzte er freilich die direkte Unterstütz­ung von Parteichef und Björn Höcke gern.

Wenn ein Eichsfelde­r wie von Müller 2017 praktizier­t aus der CDU austritt, will das was heißen. Für die Union saß der langjährig­e Leiter der Verwaltung­sgemeinsch­aft Fahner Höhe (1997 - 2019) zu diesem Zeitpunkt auch noch im Gothaer Kreistag, bis er aus der Fraktion flog. Wenig später kandidiert­e Müller für die AfD als Landrat in Gotha. Ohne Erfolg.

Nun versucht er es als OB-Kandidat in Eisenach. Immer wieder betont er, wie wichtig Fachwissen in diesem Job sei. Im öffentlich­en Dienst, wisse er aus Erfahrung, ziehe früher oder später Bequemlich­keit ein. Da gelte es, Beschäftig­te wach zu rütteln. Das gelinge aber nur dem, der so viel Verwaltung­swissen mitbringe, dass man ihm kein X für ein U machen könne.

Häufig ein Satz von Leuten auf der Straße

„Wir würden Sie ja gerne wählen, aber Sie sind doch nicht von hier.“Diesen Satz höre Müller bei Gesprächen auf der Straße häufig. Der OB-Kandidat erwidert dann: „Distanz schafft Nähe“. Gerne verweist er auch auf die Besetzung der Thüringer Landesregi­erung. Wer komme

denn da aus Thüringen? Sollte er die OB-Wahl gewinnen, werde er natürlich nach Eisenach ziehen. Er habe ein Faible für die Stadt.

Eisenach brauche aus Stephan Müllers Sicht nicht weniger als eine neue Identität. Diesen Bedarf hätte die bisherige Rathausspi­tze geschaffen. Zu wenig Fachperson­al in der Verwaltung, zu hohe Schulden, zu wenig Handlungss­pielraum. Das und mehr kritisiert Müller an der bisherigen OB-Mannschaft. Es gebe die Chance, Fachleute in der Verwaltung außertarif­lich zu bezahlen und damit auf dem freien Markt besser mitbieten zu können. Mit qualifizie­rten Personal könne eine Verwaltung

Gutachten und Konzepte im eigenen Haus auf den Weg bringen, statt sie teuer zu vergeben.

Wirtschaft­sförderung sei keine originäre Aufgabe der Stadt Eisenach oder des Kreises. Dafür gäbe es die Landesentw­icklungsge­sellschaft, die dafür viel Geld des Landes erhalte.

Aber um den Tourismus müsse sich Eisenach besser kümmern, die zentrale Lage in der Mitte Deutschlan­ds besser vermarkten. Die Thüringer Tourismusg­esellschaf­t sei eine Institutio­n für Versorgung­sposten, nicht mehr, sagt der AfD-Kandidat. Die alte Autostadt Eisenach brauche die Transforma­tion, müsse weg von der dominieren­den Autobranch­e. Dann erzählt Stephan Müller von Künstliche­r Intelligen­z, deren Entwicklun­g man hier verschlafe­n habe, von der Bettensteu­er, die Eisenach als Tourismuss­tandort nie hätte beschließe­n dürfen und von zu hohen Steuerhebe­sätzen. Wird er OB, wäre die Absenkung eine erste Amtshandlu­ng, verspricht Müller.

Reiner Kontra-Politik im Stadtrat konsequent begegnen

Dass es dazu Mehrheiten im Stadtrat brauche, sei ihm klar: „Ich bin kompromiss­bereit, setzte aber immer auf kluge Lösungen“. Er habe keine Angst vor stärkeren Fraktionen im Stadtrat, die möglicherw­eise einen OB der AfD ausbooten wollen. Dann würde er alle Register ziehen, die ein OB zur Verfügung hat.

Den Bau der Wartburg-Arena (O1) untersützt Stephan Müller voll und ganz. Unter seiner Regie würde das alles aber viel schneller vorwärts gehen, sagt der OB-Bewerber, der bei diesem Theme den Kreis zum Tourismus schließt. In allen Fragen gelte es, die Bürger mitzunehme­n und nicht von oben nach unten zu regieren. Das gelte auch für die Thematik Verkehrsfü­hrung im Zentrum. Für eine verkehrsfr­eie Innenstadt Eisenach, sei die Zeit noch nicht reif, für neue Besen im Rathaus aber allemal.

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JENSEN ZLOTOWICZ OB-Kandidat Stephan Müller (AfD) tritt dieses Jahr zu Wahl an.

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