Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Eine Familie – und ihr Leben für die Feuerwehr

Wie ein 13jähriger Junge seine Verwandtsc­haft derart begeistert, dass sie sich Freiwillig­en Feuerwehr engagiert

- VON ANJA DEROWSKI

ILVERSGEHO­FEN. 228. Die Zahl hat Marcel genau im Kopf. So viele Autos stehen in seinem Zimmer, akkurat aufgereiht in mehreren Regalen. Auf den ersten Blick sehen viele gleich aus, „aber es ist keins doppelt“, sagt der 13-Jährige. Zu fast allen Fahrzeugen kennt er die technische­n Details. Der Siebtkläss­ler ist wohl das, was man einen Freak nennen würde: ein Feuerwehr-Freak.

Alles begann ganz harmlos, als er im jungen Alter von zweieinhal­b Jahren zum ersten Mal in einem Feuerwehra­uto während einer Veranstalt­ung in Klettenber­g saß. „Stolz hat er ausgeschau­t“, erinnert sich sein Opa Siegfried Büschleb. Das Wunschkost­üm für die nachfolgen­de Karnevalss­aison stand fest: Feuerwehrm­ann.

„Als Fasching längst vorbei war, trug er es immer noch. Er ging damit auch schlafen und einkaufen“, erzählt Mutter Ivonne lachend.

Die ganze Familie hat Marcel mit seiner Liebe zur Feuerwehr angesteckt, mittlerwei­le sind auch die Mama, die Schwester Monique und die Großeltern Siegfried und Ilona Büschleb in der Freiwillig­en Feuerwehr Ilversgeho­fen engagiert. Diese hält eine Einsatzabt­eilung vor, sowie eine Jugendfeue­rwehr und eine Bambinigru­ppe. Sie ist eine der wenigen in Erfurt, die bereits Kinder ab sechs Jahren aufnimmt. Diese Chance nutzte Marcel, als Erstklässl­er trat er der Feuerwehr bei. An sechs Marcel liebt die Feuerwehr – und seine Familie unterstütz­t ihn dabei. Mama Ivonne sitzt im Vorstand als Schriftfüh­rerin. Schwester Monique, Oma Ilona und Opa Siegfried Büschleb sind ebenfalls im Verein aktiv. Foto: Anja Derowski

Wettbewerb­en nahm er bereits teil, ebenso an einigen Zeltlagern.

„Das Zusammense­in und das Quatschen, das macht am meisten Spaß“, sagt Marcel. Überhaupt habe dieses Zusammenge­hörigkeits­gefühl einen großen Stellenwer­t im Vereinsleb­en.

„Die Kinder lernen, was Kameradsch­aft ist – und bei einer Sache dabei zu bleiben“, fügt Siegfried Büschleb hinzu. Die Vermittlun­g von Tugenden sei im Verein ebenso wichtig wie die Weitergabe von Wissen. Jeden Samstag von 10 bis 12 Uhr findet die Ausbildung statt – „es gab

noch keinen Samstag, an dem Marcel gemurrt hätte, weil er keine Lust hat“, sagt Ivonne Büschleb. „Bei uns werden sogar Familienfe­iern verschoben“, betont die Oma. „Einmal hatte ich samstags Geburtstag, weil aber Bundeswett­bewerb war, haben wir an einem anderen Tag

gefeiert. Bei uns dreht sich alles um die Feuerwache.“Als Vereinsmit­glieder und im Vorstand engagiert sich die Familie, hilft bei der Vorbereitu­ng und Durchführu­ng von Festen wie jüngst beim Tag der offenen Tür, der mehrere hunderte Besucher anlockte. „Wir kochen auch mal Nudeln für die ganze Truppe, damit die Ausbildung für den Wettbewerb länger gehen kann als 12 Uhr“, erzählt Ivonne Büschleb. Wischt sie im Kinderzimm­er Staub, achtet sie darauf, dass alle Autos wieder in Reih und Glied stehen. Aber meistens korrigiere Marcel nach. Er hat mehrere Ehrenplätz­e in seinem Zimmer für wichtige Erinnerung­sstücke: Ein Teil eines Wasserschl­auchs, ein Feuerwehrh­elm und ein Aufnäher – mit dem Wappen der Feuerwehr aus Shawnee. Als Kameraden aus Erfurts Partnersta­dt zu Gast waren, ließ es sich Marcel nicht nehmen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. „Der Chef schenkte mir dann den Aufnäher“, berichtet er und zeigt ihn stolz. Dann fasst er an seinen Gürtel, „mein Rescue Set“. Schwer kann er die Zeit abwarten, bis er endlich in die Einsatzabt­eilung darf, ein paar Jahre muss er sich aber noch gedulden.

Der Berufswuns­ch steht, logischerw­eise, fest. Doch Marcel hat auch einen Plan B, falls es aus gesundheit­lichen oder anderen Gründen nichts werden sollte. Bis dahin stellt er Szenarien auf seinem Spielteppi­ch nach, dort passieren Unfälle, rücken Rettungswa­gen, Polizei und Feuerwehra­utos aus. Und wenn alle gerettet sind, stehen die Fahrzeuge wieder akkurat in ihren Regalen.

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