Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Glockenschläge zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufes
15 Jahre danach: Bew egende Gedenkfeier für die Opfer des Amoklaufes am GutenbergGymnasium
Schülersprecher Daniel Cieslak schlug gestern die neue Gedenkglocke erstmals an. Damit begann die Feierstunde für die Opfer des Amoklaufes am Erfurter GutenbergGymnasium vor 15 Jahren. Die Glockeklänge sollen fortan jedes Jahr an die 16 Menschen erinnern, die bei der Bluttat eines ehemaligen Schülers ums Leben kamen. Zur gestrigen Gedenkfeier kamen auch viele Anwohner des Gymnasiums. Foto: Sascha Fromm
Mehr Menschen als in den Vorjahren bei der Feier
ERFURT. Um 11 Uhr erklingt erstmals die Gedenkglocke. Elf verhaltene Schläge. Die Schülerin Romina Kleinmeier rezitiert ein Gedicht von Arndt Menze. „Ich wünsche Dir einen Ort, an dem Du Dich wohl fühlst. Eine Heimat, ein Zuhause, das Dir Ruhe und Schutz bietet . ... “
Auf die Stunde genau 15 Jahre ist es her, dass durch die Amoktat des früheren Schülers Robert Steinhäuser das Erfurter Gutenberggymnasium „als Ort des Wachsens und der Entfaltung sein Gesicht verlor“. So sagt es Christine Alt mit Bezug auf das Gedicht. 16 Menschen wurden Opfer „unentschuldbarer Gewalt“.
Vor zwei Jahren war erstmals über den Guss einer Glocke nachgedacht worden, die für eine neue Form des Erinnerns, Gedenkens und Mahnens zugleich stehen soll. Erst vor wenigen Tagen war der zweite Gussversuch gelungen und die Glocke noch rechtzeitig nach Erfurt gekommen.
Christine Alt, die 2002 schon Direktorin der Schule gewesen ist, berichtet, wie das Projekt auch wieder die Auseinandersetzung mit der Tat neu belebt hat. Ein Sechstklässler, der in der Projektgruppe mitgearbeitet hatte, habe einen Satz dazu geschrieben, wie er den Tag reflektierte. „Der 26.April war ein trauriger Tag“. Ein Satz, der tatsächlich alles ausdrücke. Gestern war einiges anders als in den Jahren zuvor. Nicht nur wegen der Glocke. Zum 15. Jahrestag waren Medienvertreter aus dem ganzen Land angereist. Ebenso ein Bus mit Pädagogen des Partnergymnasiums aus Erfurts Partnerstadt Mainz. Überhaupt waren es mehr Menschen als in den vergangenen Jahren, die an der traditionellen Gedenkfeier teilnahmen. Der öffentliche Glockenguss hatte vor Wochen auch Außenstehende angelockt, die nun zum stillen Gedenken wiederkamen.
Seit jeher gehört es zur Gedenkfeier, dass die Namen der Opfer verlesen werden, nun jeweils von einem Glockenschlag begleitet. Dazu Musik, die erstmals Schüler hinter den Glastüren neben der Gedenktafel spielen. In der ersten Reihe der Teilnehmer stehen Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein, Innenminister Holger Poppenhäger sowie Politiker aus verschiedenen Landtagsfraktionen.
Sie und alle anderen Menschen auf dem Platz zu fragen, was sie fühlen, erübrigt sich. Es steht in den Gesichtern geschrieben. Und als Christine Alt um eine Schweigeminute bittet, ist es schlagartig still. So still, wie am 3. Mai 2002 zur Trauerfeeier auf dem Domplatz. Damals waren Zehntausende Erfurter dorthin gekommen. Und doch hörte man zur Schweigeminute nur das Zwitschern von Vögeln.
Ein lautes Glockengeläut beendet gestern die Gedenkfeier vor der Schule. Immer wieder treten danach aber noch Erfurter, vom Schüler bis zur älteren Dame, an die Gedenktafel heran, legen Blumen nieder und verharren in Stille.