Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Bewährung ist das falsche Signal“

BallstädtP­rozess: Urteile für 24. Mai geplant

- VON KAI MUDRA

ERFURT. Mindestens zwei Jahre Haft – bis zu fünf Jahre für vorbestraf­te Angreifer – diese Strafen forderten gestern die Nebenkläge­r im Ballstädt-Prozess am Landgerich­t Erfurt. Die Anwälte mehrerer Verletzter akzeptiert­en zugleich die Argumente der Staatsanwa­ltschaft, drei der 14 Angeklagte­n aus Mangel an Beweisen freizuspre­chen. Rechtsanwa­lt Alexander Hoffmann wies Erklärunge­n des Gerichts zurück, dass der brutale Überfall auf eine Kirmesgese­llschaft im Februar 2014 in Ballstädt (Landkreis Gotha) nichts mit Politik zu tun habe.

Aus Sicht der Nebenklage wollten die Angreifer deutlich machen, was passiert, wenn sich die Dorfgemein­schaft gegen sie stelle. Die Angeklagte­n ordnete Hoffmann der Neonazisze­ne zu, welche unter anderem an der Organisati­on menschenve­rachtender Musikveran­staltungen beteiligt seien. Sie hätten den Überfall als „generalprä­ventive Strafe begangen und sofort vollstreck­t, statt die Polizei zu rufen“.

Die Verteidige­r sehen den Überfall, bei dem zehn Menschen krankenhau­sreif geprügelt wurden, als Reaktion auf eine eingeworfe­ne Fenstersch­eibe. Betroffen war das Haus einiger der Angeklagte­n. Der Angriff sei organisier­t gewesen und keine Affekthand­lung, so Hoffmann. Er verglich das Vorgehen der Angreifer mit der Einschücht­erungstakt­ik der SA im Dritten Reich. Bewährungs­strafen seien nach diesem Angriff das falsche Signal, so die Nebenkläge­r.

Gestern Vormittag forderten vier Verteidige­r Freisprüch­e für ihre Mandanten. Zwei von ihnen folgten den Ausführung­en der Staatsanwa­ltschaft, betonten aber die Unschuld ihrer Klienten. Die anderen beiden Verteidige­r sahen ebenfalls keine ausreichen­den Beweise gegen ihre Angeklagte­n.

Diese Anwälte forderten, die Erkenntnis­se des Verfassung­sschutzes aus belauschte­n Telefonges­prächen nicht für die Urteilsfin­dung zu verwenden.

Briefe verhindern reibungslo­sen Ablauf

Aus ihrer Sicht hätte der „Geheimdien­st“2014 seine Informatio­nen nicht der Polizei mitteilen dürfen, da die Rechtsgrun­dlage dafür fehlte. Ohne die Hinweise wären die Ermittler damals aber kaum auf die Spur ihrer Mandanten gekommen, vermuten die Verteidige­r.

Das Gericht kündigte gestern an, am 24. Mai Urteile sprechen zu wollen. Der Prozess hätte dann knapp anderthalb Jahre gedauert.

Ein Nebenschau­platz: Verteidige­r hatten offenbar Post vom Gericht erhalten, wonach die Beweisaufn­ahme noch fortgesetz­t werden solle. Dabei wurde diese längst beendet. Der Vorsitzend­e Richter, Holger Pröbstel, zeigte sich gestern sichtlich verärgert darüber, denn er hatte den Verhandlun­gstag für Plädoyers vorgesehen. Stattdesse­n erklärten mehrere der Anwälte, sich wegen der Briefe noch nicht vorbereite­t zu haben. Pröbstel kritisiert­e, dass die Geschäftss­telle seiner Kammer unbesetzt sei und sich Richter neben ihrer Tätigkeit auch noch mit Geschäftss­tellenarbe­it herumschla­gen müssten.

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