Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Rente erst mit 70 halten die Thüringer für eine schlechte Idee
Aufregerthema beim Erfurter Augustinerdiskurs – Unterschiedliche Befragungen zeigen: eigene Lage wird besser bewertet – Vertrauensverlust in die Politik offenkundig
ERFURT. Die Rente ist eine Aufregerthema: Am Mittwoch ging es hoch her beim Erfurter Augustinerdiskurs, als Loring Sittler die wichtigsten Erkenntnisse der repräsentativen Generali Altersstudie 2017 vorstellte und dabei auf die zumeist gute Lebenssituation heutiger Rentner zwischen 65 und 85 hinweisen konnte. Bundesweit gilt dabei: Viele haben als Ehepaare zwei gesetzliche Renten und einige neben der gesetzlichen Rente andere Einnahmen aus Betriebsund privaten Renten oder Vorteile aus Immobilienbesitz. Eine Minderheit von drei Prozent bezieht Grundsicherung im Alter.
Bei der Kooperationsveranstaltung des Evangelischen Augustinerklosters zu Erfurt, der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen und der Evangelischen Akademie Thüringen rief das jene Zuhörer im Publikum auf den Plan, die ihre Rentensituation als deutlich weniger erfreulich wahrnehmen. Gerade auch deshalb, weil schon jetzt Brüche in den Erwerbsjahren negativ zu Buche schlagen – und die Löhne in den zurückliegenden Jahren gering waren. Diese Schieflage werde zunehmen, hieß es.
Nicht nur Generali untersucht Finanzen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Rentner in Deutschland: Gestern gab die Axa Versicherung die Erkenntnisse ihrer Studie bekannt. Ergebnis für Thüringen: Die Menschen hierzulande halten ihre Renten „für nicht angemessen im Vergleich zu dem, was sie geleistet haben“. Um besser privat vorzusorgen, fehle ihnen das Geld, heißt es. Die Thüringer hätten daher, so Axa, im Bundesländervergleich die größte Angst zu verarmen und sie setzten deshalb am stärksten auf eine Angleichung der Renten in Ost und West. Das Vertrauen in die Politik sei verloren.
Immer mehr stärker wird in der Rentendebatte die Frage, wie lange Menschen künftig arbeiten gehen müssen, wenn die Lebenserwartung weiter steigt. Beim Augustinerdiskurs vertrat Loring Sittler die Ansicht, dass Rente mit 67 nicht reichen wird. In der Axa-Befragung sagten jetzt allerdings 81 Prozent der befragten Erwerbstätigen in Thüringen, dass sie die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre für eine „sehr schlechte Idee“hielten; im Bundesdurchschnitt sind es 65 Prozent. Fragt man die Rentner selbst, halten 95 Prozent von ihnen diese Anhebung für eine schlechte oder sogar sehr schlechte Idee (Bundesschnitt 87 Prozent). Spitze sind die Thüringer bei dieser Befragung prozentual auch bei der Forderung nach Einführung einer Mindestrente für Geringverdiener: 60 Prozent nennen das eine gute oder sehr gute Idee; im Bundesdurchschnitt sind es 52 Prozent.
Und während bei der von Generali vorgelegten Studie viele Rentner ihre Lage als gut einschätzen, heißt es bei Axa, 78 Prozent der Thüringer und 71 Prozent der deutschen Ruheständler insgesamt hätten das Vertrauen beim Thema Altersvorsorge verloren.
Interessant bei der Debatte in Erfurt: Hier zeigte sich einerseits, dass die gesetzliche Rentenversicherung allein als längst nicht mehr ausreichend gilt und Altersvorsorge breiter angelegt werden müsse. Zugleich wurde auch aus dem Publikum betont, dass die gesetzliche Rentenversicherung weiterhin eine wichtige Rolle spielen werde.
Welche Rolle das Rententhema im Bundestagswahlkampf haben wird, ist mit Blick auf die Wähler klar. Sittler warnte aber vor Versprechungen und davor, die Rentenkasse mit weiteren sachfremden Ausgaben zu belasten.