Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Zweifel und Ängste eines jüdischen Sozialdemokraten
Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, verurteilt Schuldzuweisungen führender Politiker
ERFURT/ILMENAU. „Zweifel an der Haltung führender Genossen zu Israel, von Sigmar Gabriel über Ralf Stegner und Andrea Nahles auf Bundesebene bis zu Albrecht Schröter auf Landesebene“, hat Reinhard Schramm, SPD-Fraktionsvorsitzender Ilmenau und Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. In einem Schreiben, das der TLZ vorliegt, spricht er von „Zweifeln und Ängsten eines jüdischen Sozialdemokraten“.
Er wolle zwar nicht aus der SPD austreten, doch „die andauernden einseitigen Schuldzuweisungen an Israel aus den Reihen der SPD erinnern an das politisch-satirische Couplet ‚An allem sind die Juden schuld‘. Friedrich Holländer hatte das Lied 1931 geschrieben. Es ist scheinbar zeitlos“, so Schramm. Der Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde macht deutlich: „Gleichgültig gegenüber Israel darf ich aus mindestens zwei Gründen nicht sein. Erstens: Wäre der Staat Israel zehn Jahre früher entstanden, hätte Zuflucht statt abgelehntes Asyl meine Familie überleben lassen. Und zweitens: Wenn künftig neuer Nationalismus und Antisemitismus Juden wieder bedrängen, öffnet Israel seine Tore. Nie wieder werden Juden vergeblich um Einreisevisa betteln. Israel steht unseren begründeten und unbegründeten Ängsten wie eine Lebensversicherung gegenüber.“Schramm ist klar, dass die Parteikollegen „Gabriel, Stegner, Nahles und Schröter keine jüdischen Ängste haben; doch sie sollten unsere Ängste verstehen. Aber insbesondere die Einseitigkeit ihrer Kritik Israels im Nahost-Konflikt lässt mich daran zweifeln. Judenhass und antiisraelischer Terror sowie die Verweigerung des Existenzrechts des jüdischen Staates und die Forderung nach uneingeschränktem Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlingsfamilien werden nicht mit der gleichen Entschiedenheit zurückgewiesen, mit der man Kritik an Israel übt“, ist sein Eindruck.
Schramm betont: „Die israelische Politik macht Fehler, aber ein Apartheid-Regime herrscht in Israel nicht.“Als solches aber habe Sigmar Gabriel Israel charakterisiert; Andrea Nahles stellte daraufhin fest, dass eine strategische Partnerschaft „die Beziehungen zwischen Fatah und SPD, die auf gemeinsamen Zielen beruhen, vertieft.“Schramm erklärt dazu: „Ich frage mich, ob zu den fixierten gemeinsamen Zielen auch die Verurteilung des Judenhasses gehört?!“
Schramm erinnert auch daran, dass „2012 das Jenaer Stadtoberhaupt Albrecht Schröter Mitunterzeichner des Boykottaufrufs von Pax Christi“war. Für den Fall, dass die israelische Regierung nicht die Kennzeichnung von Siedler-Produkten einführt, sollten alle Israelische Produkte boykottiert werden...
Drei Jahre später brachte Albrecht Schröter die zunehmende Anzahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge in unmittelbare Verbindung mit Israel.
„Wenn Albrecht Schröter die Schuldsuchenden in Richtung Israel, auf die Juden als Sündenbock lenkt, bedient er ein uraltes Klischee. Das Klischee stimmte weder im Mittelalter, noch stimmt es heute. Und doch führte es zu Pogromen. Heute begünstigt es Antisemitismus sowohl bei den Flüchtlingen als auch bei der deutschen Bevölkerung.“
Begründete und unbegründete Ängste