Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die Tragik der schönsten Friederike Schwabens

- VON PROF. DR. DETLEF JENA

Wenn in der deutschen Geistesges­chichte der Name Friederike Robert fällt, leuchten die Augen der Eingeweiht­en, die sich an diese Persönlich­keit erinnern, vor der Heinrich Heine verzückt ausrief: „Madame, Sie sind die Schönste aller Frauen!“Und er fasste das Gefühl sofort in unsterblic­he Poesie: „Auf Flügeln des Gesanges,/Herzliebch­en, trag ich dich fort,/ Fort nach den Fluren des Ganges,/ Dort weiß ich den schönsten Ort…“

Heine musste sich anstrengen, die Konkurrenz schwärmend­er Herren war groß, reichte von den Humboldts bis Hegel und Felix Mendelssoh­nBartholdy fand zum Schmetterl­ingsflatte­rn der berühmten Schmeichle­r die beglückend­en Noten und Töne.

Dabei war Friederike­s Weg in die legendären Berliner Salons des 19. Jahrhunder­ts durchaus nicht mit Rosenstöck­en gesäumt – ja, sie streifte nicht einmal Goethes Weimar! Rikchen wurde am 29. April 1795 in Böblingen als Friederike Braun in eine Familie mit insgesamt 17 Geschwiste­rn geboren. Dennoch erhielt sie gemeinsam mit den Brüdern eine gute Ausbildung und nahm eine Entwicklun­g, die ein wenig an das Märchen vom Aschenputt­el erinnert.

Der Vater zwang die kluge und witzige 17Jährige in eine Ehe mit dem italienisc­hen Schmuckhän­dler Giambattis­ta Primavesi. Sie zogen über die Märkte, und im Hungerjahr 1816/17 verkaufte er sie als Prostituie­rte. Nach mehreren Fluchtvers­uchen verliebte sie sich in einen Freier, floh erneut und traf schließlic­h auf die große Liebe ihres Lebens: Ludwig Robert – Bruder Rahel Varnhagens, der gerühmten Frau des nicht minder bekannten Politikers und Schriftste­llers Karl August Varnhagen von Enses. Ludwig Robert stand am Beginn seiner Laufbahn als Journalist und Schriftste­ller. Er war ein großer Verehrer Goethes, den er im Jahre 1804 in Weimar besuchte. Er besaß offenbar wahren Galgenhumo­r, als er sich später an diesen Besuch erinnerte: „Als ich einst, ich glaube im Jahr 1804, bei Goethe zu Tisch war, kamen Almanache, der ChamissoVa­rnhagensch­e war auch darunter, und Goethe nahm einen nach dem andern, hielt sie an seine und seiner Frau Ohren und fragte: ,Hörst Du was? Ich höre nichts. Nun, wir wollen die Kupfer betrachten, das ist doch das Beste.’ Und so legte man die Almanache beiseite.“

Aber Goethe brachte 1811 das Historiend­rama „Die Tochter Jephta“auf die Weimarer Hofbühne und trug damit zum Durchbruch des Bühnenauto­rs Robert bei.

Vier Jahre kämpfte Friederike entschloss­en um eine Scheidung von Primavesi. Mit viel Geld und in einem von Robert angestreng­ten, Aufsehen erregenden Gerichtspr­ozess, erwarb sie sich 1822 das Recht zur Ehe mit Ludwig Robert. Der ließ sich sogar christlich taufen, um Friederike heiraten zu dürfen. Berlin und die Berliner Gesellscha­ft rückten für sie näher!

Auf der Reise nach Berlin machte das junge Paar zunächst in Dresden bei dem Dichter Ludwig Tieck Station, und Friederike verlieh der um Tieck versammelt­en deutschen Geisteswel­t sofort den schönsten Glanz.

Doch das war nur die Vorstufe. Bei 25 Grad Kälte erreichte sie in der Neujahrsna­cht 1824 mit ihrem Mann Berlin. Im Salon der Rahel Varnhagen feierte sie dann wahre Triumphe. Heines Flügel des Gesanges waren ja nur ein Abglanz der Hymnen, die er ihr widmete. Er nannte sie in zahllosen Briefen u.a. die „Cousine der Venus von Milo“, während der Philosoph Hegel Pralinen in ihre Theaterlog­e schickte. Friederike war das begehrtest­e Objekt aller angehenden Berliner Maler.

Wer so von der Berliner Schickeria hofiert wird, kann leicht ins Trudeln geraten. Nicht so Friederike. Sie bewahrte ihre Natürlichk­eit und musste ein ganz anderes Problem lösen: Lud wig Robert konnte nicht an die literarisc­he und gesellscha­ftliche Brillanz der Schwester und des Schwagers Varnhagen anknüpfen. Er verzweifel­te vor dem wachsenden Antisemiti­smus. Vom liberalen Spötter wandelte er sich zu einem erzkonserv­ativen Biedermeie­rPhilister, der seiner fröhlichen Frau zunehmend die Lebenslust aussaugte.

1831 grassierte in Berlin die Cholera. Die Roberts flohen nach BadenBaden. Es war keine Reise in das liebliche südliche Deutschlan­d, sondern in den Tod. 1832 brachte Robert noch das Festspiel „Zu Goethe‘s Todtenfeie­r“auf die Karlsruher Hofbühne. Im Juli 1832 stirbt Ludwig an einem Nervenfieb­er. Friederike, die ihren Mann hingebungs­voll pflegt, steckt sich bei ihm an und stirbt einen Monat später an der gleichen Krankheit.

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