Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Thüringer Polizisten so krank wie nie
Laut Studie klagen Beamte über Erschöpfung – Minister kündigt Gesundheitsmanagement an
ERFURT. Die Thüringer Polizisten sind 2017 so krank gewesen, wie nie zuvor. Das musste Innenminister Georg Maier (SPD) jetzt einräumen. „Das macht für mich deutlich, dass verstärkter Handlungsbedarf gegeben ist, um die gesundheitliche Situation zu verbessern“, sagte der Innenminister.
Eine erste Maßnahme, um diesen Worten auch Taten folgen zu lassen, wird bereits umgesetzt. Maier will schnell zu einer Dienstvereinbarung über ein verbindliches Gesundheitsmanagement kommen und damit eine Forderung der Gewerkschaften erfüllen. Die Krankenquote bei den Thüringer Polizisten ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, lag aber zumeist bei unter zehn Prozent. Im zweiten Jahr in Folge liegt sie 2017 darüber. „Diese Entwicklung will ich stoppen und wieder unter diese zehn Prozent kommen“, so Maier.
Über die Gründe für die zahlreichen Krankschreibungen gibt eine repräsentative Umfrage der Polizeigewerkschaft GdP Aufschluss. Dem Papier zufolge klagt jeder zweite Beamte über eine allgemeine Müdigkeit und Erschöpfungserscheinungen.
ERFURT. „Wünsch dir was“bei den Mitgliedern der Polizeigewerkschaft GdP. In einer Umfrage zur Zufriedenheit unter den Thüringer Polizisten hatte die Gewerkschaft den Teilnehmern der Befragung genau diese Möglichkeit eingeräumt – und siehe da, das Ergebnis hat sogar GdPLandeschef Kai Christ überrascht.
Der Wunsch, es möge einen Kindergarten für Nachwuchs der Thüringer Polizeibeamten geben, taucht ganz weit oben auf der Hitliste auf. Diskutiert wurde das in der Vergangenheit bereits. Auch Christ gehörte zu den Befürwortern eines solchen Projektes und sieht sich durch die Mitgliederbefragung aus dem vergangenen Jahr, die jetzt wissenschaftlich ausgewertet wurde, motiviert, das Thema neu anzugehen. „Möglicherweise könnte Erfurt der Ansatz sein,
um ein solches Projekt einmal anzustoßen“, so Christ.
Bei Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) finden die Beamten mit der Idee ein offenes Ohr. Er verweist auf die Bundeswehr, die er jüngst bei der Gelöbnisfeier auf dem Erfurter Petersberg besucht hat. „Ich war erstaunt, was die Bundeswehr schon für Möglichkeiten hat“, sagte er und erinnerte an die
Rekrutensprecherin, die mit knapp über 30 den Weg zur Truppe fand – trotz zweier Kinder. In Erfurt wolle die Bundeswehr eben einen Kindergarten aufbauen. Maier hält es nicht für ausgeschlossen, dass nach gemeinsamen Gesprächen daraus vielleicht auch ein Projekt werden könnte, von dem am Ende der Nachwuchs Thüringer Polizisten mit profitieren kann.
Denn sowohl Christ als auch Maier wissen um die Bedürfnisse der Beamten. Bei vielen gehört dazu eben auch, sicher zu sein, dass ihre Sprösslinge während der Arbeit gut betreut sind.
Die GdP-Umfrage hat über den Kindergarten-Wunsch hinaus vor allem Erkenntnisse gebracht, die zwar immer wieder an Einzelfällen diskutiert wurden, aber nie wissenschaftlich unterlegt waren. „Deshalb haben wir diese Umfrage aufgelegt“, erklärt Christ. Von 7200 möglichen Teilnehmern (Beamte, Tarifbeschäftigte) haben insgesamt 1431 Personen teilgenommen. Eine gute Zahl sei das, macht Gesundheitsexpertin Dr. Mary Lindner deutlich, die die Befragung begleitete und die wissenschaftliche Auswertung
vorgenommen hat.
Demnach klagen die Beamten in Thüringen vor allem über psychische Belastungen. Einer der großen Stressauslöser sei der Personalmangel. Das geben 37,3 Prozent der Teilnehmer an. Und jeder zweite Befragte ist sicher, dass die hohe Arbeitsbelastung und -Intensität auf den Personalmangel bei der Polizei zurückzuführen ist. „Dieser ist auch deutlich
zu spüren“, sagt Christ. Zwar würden jetzt mehr Polizisten eingestellt, „diese Kollegen erreichen uns aber erst 2020“.
Diese Mehreinstellungen erbringen noch einen Nebeneffekt. Bei der Frage nach dem „Wohlfühlen“in der eigenen Dienststelle schnitten Bildungszentrum und Fachhochschule in Meinungen schlecht ab. Nur 14 Prozent gaben an, dort zufrieden zu sein. Christ erklärt das mit wachsenden Aufgaben. „Wir stellen jetzt Gott sei Dank mehr Polizeianwärter ein. Die Ausbildungsleistung muss aber noch mit dem selben Personal erbracht werden wie 2014“, so Christ. Dadurch lasse sich die Unzufriedenheit möglicherweise etwas erklären. 2014 nahmen 125 Anwärter ihre Ausbildung auf, 2018 sollen es 260 sein.
Innenminister Maier kündigte bei der Vorstellung der Studie an, dass es so schnell als möglich eine Dienstvereinbarung für ein verbindliches Gesundheitsmanagement geben solle.
„Ich habe das Gefühl, die allermeisten Polizistinnen und Polizisten sind es aus Überzeugung. Diesen Faktor muss man stärken.“Innenminister Georg Maier (SPD)
„Erschöpfung ist der klassische Vorbote einer psychischen Erkrankung. Leider haben wir auch in der Thüringer Polizei Probleme damit.“Kai Christ, GdPLandesvorsitzender