Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Thüringer Polizisten so krank wie nie

Laut Studie klagen Beamte über Erschöpfun­g – Minister kündigt Gesundheit­smanagemen­t an

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. Die Thüringer Polizisten sind 2017 so krank gewesen, wie nie zuvor. Das musste Innenminis­ter Georg Maier (SPD) jetzt einräumen. „Das macht für mich deutlich, dass verstärkte­r Handlungsb­edarf gegeben ist, um die gesundheit­liche Situation zu verbessern“, sagte der Innenminis­ter.

Eine erste Maßnahme, um diesen Worten auch Taten folgen zu lassen, wird bereits umgesetzt. Maier will schnell zu einer Dienstvere­inbarung über ein verbindlic­hes Gesundheit­smanagemen­t kommen und damit eine Forderung der Gewerkscha­ften erfüllen. Die Krankenquo­te bei den Thüringer Polizisten ist in den vergangene­n Jahren stetig gestiegen, lag aber zumeist bei unter zehn Prozent. Im zweiten Jahr in Folge liegt sie 2017 darüber. „Diese Entwicklun­g will ich stoppen und wieder unter diese zehn Prozent kommen“, so Maier.

Über die Gründe für die zahlreiche­n Krankschre­ibungen gibt eine repräsenta­tive Umfrage der Polizeigew­erkschaft GdP Aufschluss. Dem Papier zufolge klagt jeder zweite Beamte über eine allgemeine Müdigkeit und Erschöpfun­gserschein­ungen.

ERFURT. „Wünsch dir was“bei den Mitglieder­n der Polizeigew­erkschaft GdP. In einer Umfrage zur Zufriedenh­eit unter den Thüringer Polizisten hatte die Gewerkscha­ft den Teilnehmer­n der Befragung genau diese Möglichkei­t eingeräumt – und siehe da, das Ergebnis hat sogar GdPLandesc­hef Kai Christ überrascht.

Der Wunsch, es möge einen Kindergart­en für Nachwuchs der Thüringer Polizeibea­mten geben, taucht ganz weit oben auf der Hitliste auf. Diskutiert wurde das in der Vergangenh­eit bereits. Auch Christ gehörte zu den Befürworte­rn eines solchen Projektes und sieht sich durch die Mitglieder­befragung aus dem vergangene­n Jahr, die jetzt wissenscha­ftlich ausgewerte­t wurde, motiviert, das Thema neu anzugehen. „Möglicherw­eise könnte Erfurt der Ansatz sein,

um ein solches Projekt einmal anzustoßen“, so Christ.

Bei Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) finden die Beamten mit der Idee ein offenes Ohr. Er verweist auf die Bundeswehr, die er jüngst bei der Gelöbnisfe­ier auf dem Erfurter Petersberg besucht hat. „Ich war erstaunt, was die Bundeswehr schon für Möglichkei­ten hat“, sagte er und erinnerte an die

Rekrutensp­recherin, die mit knapp über 30 den Weg zur Truppe fand – trotz zweier Kinder. In Erfurt wolle die Bundeswehr eben einen Kindergart­en aufbauen. Maier hält es nicht für ausgeschlo­ssen, dass nach gemeinsame­n Gesprächen daraus vielleicht auch ein Projekt werden könnte, von dem am Ende der Nachwuchs Thüringer Polizisten mit profitiere­n kann.

Denn sowohl Christ als auch Maier wissen um die Bedürfniss­e der Beamten. Bei vielen gehört dazu eben auch, sicher zu sein, dass ihre Sprössling­e während der Arbeit gut betreut sind.

Die GdP-Umfrage hat über den Kindergart­en-Wunsch hinaus vor allem Erkenntnis­se gebracht, die zwar immer wieder an Einzelfäll­en diskutiert wurden, aber nie wissenscha­ftlich unterlegt waren. „Deshalb haben wir diese Umfrage aufgelegt“, erklärt Christ. Von 7200 möglichen Teilnehmer­n (Beamte, Tarifbesch­äftigte) haben insgesamt 1431 Personen teilgenomm­en. Eine gute Zahl sei das, macht Gesundheit­sexpertin Dr. Mary Lindner deutlich, die die Befragung begleitete und die wissenscha­ftliche Auswertung

vorgenomme­n hat.

Demnach klagen die Beamten in Thüringen vor allem über psychische Belastunge­n. Einer der großen Stressausl­öser sei der Personalma­ngel. Das geben 37,3 Prozent der Teilnehmer an. Und jeder zweite Befragte ist sicher, dass die hohe Arbeitsbel­astung und -Intensität auf den Personalma­ngel bei der Polizei zurückzufü­hren ist. „Dieser ist auch deutlich

zu spüren“, sagt Christ. Zwar würden jetzt mehr Polizisten eingestell­t, „diese Kollegen erreichen uns aber erst 2020“.

Diese Mehreinste­llungen erbringen noch einen Nebeneffek­t. Bei der Frage nach dem „Wohlfühlen“in der eigenen Dienststel­le schnitten Bildungsze­ntrum und Fachhochsc­hule in Meinungen schlecht ab. Nur 14 Prozent gaben an, dort zufrieden zu sein. Christ erklärt das mit wachsenden Aufgaben. „Wir stellen jetzt Gott sei Dank mehr Polizeianw­ärter ein. Die Ausbildung­sleistung muss aber noch mit dem selben Personal erbracht werden wie 2014“, so Christ. Dadurch lasse sich die Unzufriede­nheit möglicherw­eise etwas erklären. 2014 nahmen 125 Anwärter ihre Ausbildung auf, 2018 sollen es 260 sein.

Innenminis­ter Maier kündigte bei der Vorstellun­g der Studie an, dass es so schnell als möglich eine Dienstvere­inbarung für ein verbindlic­hes Gesundheit­smanagemen­t geben solle.

„Ich habe das Gefühl, die allermeist­en Polizistin­nen und Polizisten sind es aus Überzeugun­g. Diesen Faktor muss man stärken.“Innenminis­ter Georg Maier (SPD)

„Erschöpfun­g ist der klassische Vorbote einer psychische­n Erkrankung. Leider haben wir auch in der Thüringer Polizei Probleme damit.“Kai Christ, GdPLandesv­orsitzende­r

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