Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Formel 1: Ferrari schenkt Hamilton die WM
Strategiefehler ermöglicht dem Briten den Sieg in Singapur. Vettel liegt in der Gesamtwertung schon 40 Punkte hinten
SINGAPUR. Siebte Pole-Position in dieser Saison, siebter Sieg – Lewis Hamilton lässt seinen Silberpfeil nun auch in der südostasiatischen Nacht strahlen. Einmal mehr machten er und das Mercedes-Team auf vermeintlichem Ferrari-Territorium alles richtig – da es der Rennstall von Sebastian Vettel dessen größtem Konkurrenten im Kampf um die Formel-1-Weltmeisterschaft sehr, sehr einfach machte.
Das Verzocken bei der Strategie führte dazu, dass Vettel in Singapur nur Dritter hinter Max Verstappen wurde und damit in der Gesamtwertung weitere zehn Punkte auf den Rivalen verlor. Der Rückstand des Heppenheimers liegt jetzt schon bei 40 Zählern. Der im Rennen beträgt nach 61 Runden 39,9 Sekunden – das ist richtig demoralisierend.
Nach dem vierten Sieg in den letzten fünf Rennen spürte Hamilton, dass er dem Traum vom fünften WM-Titel deutlich näher gekommen war. „Du bist ein Serientäter“, begrüßte ihn der Moderator, aber Hamilton ging erst einmal in die Knie, konterte mit Begriffen wie „Glauben, Vertrauen, Segen“. Vettel war dagegen desillusioniert: „Wir waren nicht schnell genug. Am Anfang haben wir es mit Aggressivität probiert, aber das hat nicht funktioniert. Danach musste ich wegen der Reifen ein anderes Rennen als die anderen fahren, es ging nur darum, das Auto nach Hause zu bringen. So hatten wir keine Chance hier. Ich habe schon vorher gesagt, dass wir uns nur selbst schlagen können.“Was die schwindenden Titelchancen bei noch sechs ausstehenden Rennen angeht: „Geholfen hat das nicht...”
Wegen einer Safety-Car-Phase früh zu Beginn musste das Rennen neutralisiert und neu begonnen werden. In der vierten Runde kam es beim Neustart zum Ausscheidungsfahren der beiden Titelkandidaten. Hamilton legte vor, der Silberpfeil nahm dem Ferrari auf den ersten fünf Kilometern Fahrt 1,1 Sekunden ab – und das, obwohl der Marina Bay Street Circuit wie gemacht ist für die roten Ferraris.
Doch die Scuderia verschenkte ein besseres Resultat mal wieder selbst. Den Unterschied machte diesmal aber nicht Vettels draufgängerisches Fahrerverhalten, sondern die Reifenwahl: Ferrari setzte auf Ultrasoft, Mercedes auf Soft. Damit nahmen die Italiener wegen des Verschleißes das Risiko von zwei Stopps in Kauf; Mercedes probierte, mit der langsameren, aber haltbareren Mischung mit einem durchzukommen. Ferraris Vorhaben erwies sich als Harakiri-Plan, Verstappen schlüpfte zwischen die beiden WMFührenden – bei RTL wurde der Ferrari-Stratege entsprechend als Praktikant des Monats verhöhnt. „Ich habe mein Team immer verteidigt“, gab sich Vettel milde. „Wenn etwas nicht funktioniert, ist es leicht zu kritisieren.“Kleiner wird das Polster zwischen ihm und Hamilton dadurch aber nicht.