Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Die Erben eines Kunsthändlers machen Kasse
Wo: Anger 28/29 Wann: 1948 bis 2018
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Im Jahr 1948 erhielt der Antiquitätenhändler Kurt Müller mehrfach Post aus Gotha. Müller war Inhaber von Colussi & Co. Das Geschäft befand sich am Anger.
Absender war ein Bibliothekar aus Gotha, ein gewisser Arthur Darr. Er schrieb: „Aus den Beständen des Museums sollen verschiedene Gegenstände als überzählig abgegeben werden. Es handelt sich um Miniaturen, Trinkgefäße und kleinere kunstgewerbliche Stücke.“Darr behauptete, er handele im Auftrag des Gothaer Museumsdirektors.
Gut möglich, dass Antiquitätenhändler Kurt Müller glaubte, alles sei rechtens. Auf jeden Fall muss er angesichts der Kunstschätze geradezu euphorisiert gewesen sein. Er kaufte und kaufte und kaufte. Abertausende Mark flossen, der Kunsthändler zahlte stets bar. Darr stellte sogar Quittungen aus – für angeblich ausgesonderte Museumsgüter.
Tatsächlich handelte es sich um Spitzenstücke aus der Kunstkammer von Schloss Freidenstein. Darr hatte sie sich in den Wirren der Nachkriegstage angeeignet.
Der Erfurter Antiquitätenhändler verkaufte die wertvollsten der Gothaer Schätze nicht weiter. Er vermachte sie seinen drei leiblichen Kindern. Mittlerweile gelangten einige der Gothaer Kunstschätze in den Besitz der Enkel von Kurt Müller. Immer mal wieder tauchen Objekte in Auktionshäusern auf.
So wurde im Jahr 2002 ein Trinkgeschirr in Gestalt eines silbernen Elefanten in der Schweiz versteigert. Den Zuschlag erhielt ein Kunstverein, der das Stück einem Hamburger Museum überlassen wollte. Erst nach der Auktion wurde den Hamburgern die wahre Herkunft des Elefanten bekannt. Der Kunstverein gab ihn daraufhin zurück nach Gotha, bekam aber natürlich den Kaufpreis erstattet: 350.000 Euro.
Zu Beginn des Jahres 2018 kehrte ein ebenfalls von Müller-Erben versteigerter ElfenbeinHumpen nach Gotha zurück. Auch für ihn flossen rund 350.000 Euro.
Die Erben befinden sich in einer komfortablen Rechtsposition. Der Kriminalfall ist verjährt. Noch dazu haben Bestohlene laut Bürgerlichem Gesetzbuch keinen Anspruch mehr auf die Herausgabe ihres Eigentums, wenn der Kunstraub mehr als 30 Jahre zurückliegt.