Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Schlösser-Monopoly
Mit dem Plan, Thüringer Liegenschaften in eine neue Stiftung zu überführen, steht Minister Hoff vor einer Mammut-Aufgabe
„Den Umweg über Halle zu gehen, halte ich für nicht zweckmäßig.“Jörg Kellner, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag
Erfurt. In der Sitzecke zwischen wuchtigen antiken Herrscherstandskulpturen lehnt Roland Krischke sich entspannt zurück. Der Direktor des Lindenau-Museums in Altenburg vertraut auf die Macht der Argumente und nimmt im schwelenden Disput um die geplante Kulturstiftung Mitteldeutschland Schlösser und Gärten (KMSG) eine moderate Haltung ein: „Wenn es gut gemacht ist, halte ich es für möglich, dass sich ein Mehrwert ergibt“, sagt er behutsam. Vor allem dann, wenn der Bund neben den 200 Millionen Euro an Fördergeldern zur Sanierung historischer Anlagen auch noch die Hälfte der künftigen Betriebskosten beisteuerte, fände Krischke das Angebot verlockend: weil er weiß, dass die Stadt und der Landkreis Altenburg als Träger des Schloss- bzw. des Lindenau-Museums immer stärker strapaziert würden. Zumal nach deren Sanierung und dem Umbau des Marstalls zum gemeinsamen Depot.
Trotzdem sagt Krischke klar: „Die kulturelle Vielfalt ist die eigentliche Stärke Thüringens.“Dass viele andere historische Liegenschaften und die darin betriebenen Einrichtungen – zumeistMuseen–nichtindenGenuss der Bundesförderung kämen, fände er bedauerlich. So ergibt sich die Tendenz: Wer in stabilen Verhältnissen agiert, betrachtet die KMSG mit Skepsis oder gar Unmut; wer nicht, nicht. Die Stadt Gotha zum Beispiel fühlt sich mit ihrem 75-Prozent-Anteil an der FriedensteinStiftung längst überfordert. Diese betreibt die Museen im Schloss, das als Liegenschaft der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) gehört.
Für die Sanierung des Friedensteins ist dank eines älteren 60-Millionen-Pakts zwischen Bund und Freistaat gesorgt. Von der Zuschuss-Offerte des Bundes im Dezember 2015 hat es bis zum Baubeginn im April 2019 mehr als drei Jahre gedauert. Deshalb will Krischke, der dank eines zweiten Pakts aus dem vorigen Winter 48 Millionen Euro von Bund und Land zur Verfügung hat, in Altenburg mit Planung und Baustart keinesfalls warten, bis die neue KMSG errichtet ist. Er befürchtet durch den Zeitverzug einen zu hohen Wertverlust der Fördergelder. Zudem weiß Krischke, dass es keineswegs einer neuen Stiftung mit Beteiligung des Bundes bedarf, um dessen Geld in historische Liegenschaften zu investieren. In Gotha etwa wurden das Herzogliche Museum und das Perthesforum, da in städtischem Eigentum, unter Ägide des örtlichen Hochbauamtes saniert: mit am Ende 20 Millionen Euro vom Land und 10 Millionen Euro vom Bund.
Um das Konstrukt, das Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) als energischem Befürworter der neuen KMSG vorschwebt, zu verstehen, muss man die kleinteilig und dezentral organisierte Welt der Thüringer Residenzen präzise betrachten. Manche Liegenschaften befinden sich in lokaler Trägerschaft, andere gehören zu Stiftungen. Als deren größte betreut die STSG die Bestandserhaltung und Sanierung von 31 Objekten, betreibt jedoch nicht die Einrichtungen darin. Die meisten Museen samt ihrer Sammlungen gehören den Gebietskörperschaften. Minister Hoff will die Filetstücke nun in die gemeinsame thüringischsachsen-anhaltische Stiftung per Erbpacht- bzw. Dauerleihverträgen überführen.
Das geplante Portfolio der somit im „Schlösser-Monopoly“Begünstigten umfasst: Friedenstein Gotha, die Heldburg, die
Residenzen in Rudolstadt und Sondershausen, die Schwarzburg und die Klosterruine Paulinzella aus der Thüringer Schlösserstiftung; Herzogliches Museum und Perthesforum aus dem Eigentum der Stadt Gotha; das Lindenau-Museum vom Kreis Altenburger Land und Schloss Altenburg aus städtischem Besitz, die Elisabethenburg aus der Kulturstiftung Meiningen-Eisenach sowie das soeben aus Privatbesitz enteignete Schloss Reinhardsbrunn. Um diese Liegenschaften zu bespielen, will der ambitionierte Strukturpolitiker Hoff auch die jeweiligen Museen und Sammlungen gen Halle überantworten: aus der Friedenstein-Stiftung,
vom Trägerverein Deutsches Burgenmuseum, vom Kreis Saalfeld-Rudolstadt und der Stadt Sondershausen sowie von den beiden Altenburger Gebietskörperschaften und der Meininger Kulturstiftung. Allein die Aufzählung lässt ahnen, wie kompliziert und langwierig das Verfahren werden könnte. Unter welchen musealen Zielstellungen die neue KMSG arbeiten soll, wird bisher gar nicht diskutiert. Nur gegen die mutmaßliche Arbeitsfähigkeit der neuen Stiftung wachsen Bedenken. Jörg Kellner, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, fürchtet einen schwerfälligen Zentralismus und sagt: „Den Umweg über Halle zu gehen, halte ich für nicht zweckmäßig.“Zudem hat er mindestens eine Ahnung davon, dass es durchaus Monate, gar Jahre dauern kann, bis die KMSG gegründet, strukturiert und mit mindestens teilweise neuen Mitarbeitern aufgerüstet ist. Plus Bauplanungen und Ausschreibungen – bis dann mal ein Sandhaufen im Sondershäuser Schlosshof bewegt wird, könnten laut Kellner gut vier Jahre ins Land gehen. Er hätte es lieber schneller und direkter, weil dezentral organisiert.
Die Trägerstrukturen in Altenburg und Gotha hält indes auch Kellner für unzureichend: „Das muss man neu denken“, sagt er.