Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Kein Bauhaus ohne Handwerk
100 Jahre Bauhaus Handwerkskammer schlägt mit Ausstellung Brücke von Bauhaus-Anfängen bis ins Morgen
Erfurt. Der Neubau im Hof der Handwerkskammer Erfurt am Fischmark ist schnörkellos, geradlinig. Wie geschaffen für eine Ausstellung im Bauhausjahr. Gestern wurde eine solche mit dem Titel „Die Handwerksmeister und das Staatliche Bauhaus“eröffnet.
„Es war das Handwerk, was das Bauhaus erst möglich gemacht hat“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein. „Und jeder Künstler war erst ein Handwerker“, setzt er den Gedanken fort. So sei es eine Selbstverständlichkeit, dass auch die Kammer sich in diesem Jahr besonders mit dem Thema auseinandersetzt. Die Ausstellung im Tagungsraum des Obergeschosses des Neubaus gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden ausgewählte Meister, die einst am Bauhaus gewirkt haben, vorgestellt. So Max Krehan, Christian Dell und Josef Zachmann. Der zweite Teil widmet sich vier Handwerksmeistern von heute. In den Texten auf den fast raumhohen Tafeln beschreiben sie ihre Motivation und ihre Verbindung mit dem Bauhaus-Gedanken. „Ob Obstschale oder Stuhl: Es muss ästhetisch und funktional sein“, ist da von Heinz Günther zu lesen.
Der heute im Eichsfeld lebende und arbeitende Holzbildhauermeister ist zur Ausstellungseröffnung gekommen. „Vor 42 Jahren habe ich in Weimar meinen Meister gemacht“, erzählt der Künstler und Handwerker. Und damals habe er eben schon die unbedingte Verbindung von Funktionalität und Schönheit als Maxime bei der Arbeit verinnerlicht. Gleich nach der Gesellenprüfung habe er sich damals daran gemacht, auch den Meistertitel zu erwerben. Inzwischen gingen bereits 22 junge Leute bei ihm in die Lehre – und sind ganz bestimmt Bieretikett aus dem Zughafen – inspiriert vom Bauhaus. dabei auch mal mit den Ideen des Bauhauses in Berührung gekommen. Der Keramikmeister Sven Schlönvoigt von der Töpfermühle Möbisburger, Metallgestaltermeister Andreas Schwarz sowie Tischlermeister Christian Schimek von den Erfurter „Konzept-los Möbelwerkstätten“sind die weiteren Meister, die in der Schau vorgestellt werden. Sie berichten auch, welchen Einfluss das Bauhaus auf die heutige Arbeit hat.
Der dritte Teil der Ausstellung gibt einen Blick in die Zukunft. Hier wird das Konzept der Handwerkergymnasien erklärt, bei dem Schüler der Erfurter Walter-Gropius-Schule und der Andreas-Gordon-Schule bereits parallel zum Abitur Teile der Meisterausbildung absolvieren.
„Diese Handwerkerklassen sind einmalig in Deutschland“, betonte Kammerpräsident Stefan Lobenstein eingangs. Dieser ließ es sich auch nicht nehmen, seinen Bauhaus-inspirierten Beitrag für die gestrige Ausstellungseröffnung beizusteuern. Petit-Fours in der Formen- und Farbsprache des Bauhauses wurde Besuchern gereicht. Dazu gab es – geschmacklich nicht ganz passend – Bier. Aber eben Bauhaus aus dem Brauhaus.