Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Lizenz zum Tröten

Erfurt sucht den Super-Straßenmus­iker

- VON PETER RATHAY redaktion@tlz.de

Dieter Bohlen lässt grüßen: Das Vorhaben der Stadt Erfurt erinnert an die Castingsho­w „Deutschlan­d sucht den Superstar“. Demnach sollen Straßenmus­iker in der Landeshaup­tstadt ihr Können vor einem Auftritt beweisen, durch Vorsingen oder Vorspielen. Sozusagen eine Lizenz zum Tröten – und die bekommt nur, wer den bürokratis­chen Geschmacks­test besteht. In München handhabt man das bereits so.

Noch sind das wohl nur Gedankensp­iele. Aber man muss sich jetzt schon wünschen, dass der eine oder andere Mitarbeite­r der Verwaltung eine musikalisc­he Ausbildung genossen hat – und schiefe Töne erkennen kann.

Über Geschmack lässt sich zwar trefflich streiten. Über Kunstfreih­eit aber nicht. Und so sei ob des Vorhabens an DDR-Zeiten erinnert, als Amateure wie Profis eine Einstufung für ihr „Volkskunst­schaffen“vorweisen mussten. Ohne die sogenannte Pappe durften Bands, Liedermach­er und DJs damals nicht auftreten. Eine Kommission hob oder senkte den Daumen und legte sogar das Honorar fest. Nicht wenigen Musikern wurde die Karriere verbaut, weil die Liedtexte zu systemkrit­isch waren. Flöte, Klampfe & Co.: Der Mix der Straßenmus­iker macht Laune, wie der alljährlic­he Andrang bei der Fête de la musique zeigt. Und den verwaisend­en Innenstädt­en tut der Trubel ebenfalls gut.

Statt die Künstler mit Bürokratie zu gängeln, sollten wir ihnen aufmerksam zuhören und genießen. Frei nach dem Motto: Wo man singt, da lass’ dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.

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