Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Mit Gitarre, aber bitte ohne Lautsprech­er

Künstler müssen sich an strikte Vorgaben halten. Heute „Fête de la Musique“in zahlreiche­n Orten

- VON MARIE FRECH ARCHIV-FOTO: PETER MICHAELIS

In Erfurt wird seitens der Stadt überlegt, Straßenmus­iker erst nach einer Art Casting in der Innenstadt auftreten zu lassen. Für Thüringen wäre das eine Premiere, ein Vorspielen gibt es in anderen Kommunen nicht. Die Grünen im Stadtrat jedenfalls regierten verschnupf­t: „Ausgerechn­et einen Tag vor der Fête de la Musique mit einem solchen Vorstoß nach draußen zu gehen, zeugt mindestens von absoluter Instinktlo­sigkeit. Offenkundi­g will Erfurt einmal mehr damit von sich reden machen, dass sie Künstler bürokratis­ch reglementi­ert“, heißt es in einer Mitteilung. Und die Freien Wähler legen nach: Das Vorhaben, Straßenmus­iker zukünftig vor einer Jury vorspielen zu lassen, könne die Verwaltung gleich wieder beerdigen. Schon die schwierige Frage der Jurybesetz­ung und die Anmaßung über schlecht oder gut, schön oder nicht so schön zu entscheide­n, disqualifi­ziert diese Idee“, heißt es.

Tatsächlic­h ähneln sich die Vorgaben für Straßenmus­iker allerdings in vielen der größeren Städte. So dürfen die Künstler in Mühlhausen, Jena, Weimar und Erfurt etwa in der Regel keine Verstärker, Lautsprech­er oder andere Hilfsmitte­l benutzen.

Bisher ist in keiner der genannten Städte ein Vorspielen nötig. „Standgebüh­ren“oder ähnliches fallen für die Künstler nirgends an. Auftreten dürfen sie in der Regel innerhalb der Innenstädt­e mit entspreche­ndem Publikumsv­erkehr.

Die Stadtverwa­ltung Mühlhausen sieht Straßenmus­ik als Belebung für die Innenstadt. Im steten Wechsel spielten sie dort bevorzugt im historisch­en Zentrum auf, hieß es. Trotzdem gibt es Vorgaben, an die sich die Musiker halten müssen: So dürfen sie etwa nur werktags zu bestimmten Zeiten spielen. Und die Stadt hält die Künstler auf Trab: Sie müssen laut Verordnung stündlich ihren Standort wechseln. „Da sich alle in der Regel an die Vorgaben halten, sind Eingriffe der Ordnungsbe­hörde nicht notwendig. In den seltenen Fällen, in denen sich beispielsw­eise ansässige Händler gestört fühlen, waren klärende Gespräche bisher immer ausreichen­d.“

In Jena sind Straßenmus­iker vor allem zwischen Markt, Löbderstra­ße, Holzmarkt und Johannispl­atz zu hören. Maximal zwei Künstler dürfen den Vorgaben nach gleichzeit­ig in der Innenstadt auftreten. Und auch in der Studentens­tadt müssen die Musiker rotieren und darauf achten, wann sie wie lange ihre Lieder zum Besten geben. Die Pressespre­cherin in Jena betont, dass Musiker im Grunde alles spielen dürften – bis auf verfassung­sfeindlich­e, volksverhe­tzende oder ähnliche Inhalte. Ab und an beschwerte­n sich benachbart­e Geschäftsi­nhaber und auch manchmal Anwohner über Lärm, hieß es aus Jena. Dann würden mündliche Verwarnung­en oder Platzverwe­ise ausgesproc­hen. Genauere Vorgaben dazu, wo überhaupt die Instrument­e ausgepackt werden dürfen, macht Weimar. Dort ist etwa das Musizieren vor dem Goethe- und dem Schiller-Haus, sowie vor dem Haus der Weimarer Republik untersagt. Grundsätzl­ich sei die Straßenmus­ik für die Belebung der Innenstadt nützlich, heißt es auch aus der Verwaltung der Klassiksta­dt. Von der Bevölkerun­g kämen aber gemischte Reaktionen auf Straßenmus­ik, hieß es. In Erfurt spielt nach Angaben einer Sprecherin der Stadt vor allem die Qualität der Darbietung­en eine entscheide­nde Rolle dabei, ob die Straßenmus­ik von Bürgern und Touristen als Bereicheru­ng empfunden wird. Gerade die touristisc­h stark frequentie­rten Teile der Altstadt um die Krämerbrüc­ke nutzten die Musiker gerne. Aber auch sie dürfen etwa höchstens 20 Minuten an der gleichen Stelle spielen, bevor sie den Standort hörbar wechseln müssen. Musik von der Straße erklingt auf alle Fälle am heutigen Freitag zur „Fête de la Musique“. Ihren Ursprung hat die Veranstalt­ung in Frankreich. 1982 in Paris entstanden, verbreitet die „Fête de la Musique“seit Jahren ihren Klang über die ganze Welt. Der damalige französisc­he Kulturmini­ster Jack Lang hatte seinerzeit die Idee, den Tag des Sommeranfa­ngs zu einem Tag der Musik zu machen. Einem Tag an dem Künstler aller Stilrichtu­ngen an öffentlich­en Orten auftreten können.

Alle Veranstalt­ungen der Fête de la musique sind öffentlich, kosten keinen Eintritt und finden ohne kommerziel­le Absichten statt. In Thüringen nehmen Erfurt, Jena, Gera, Weimar, Apolda, Pößneck, Mühlhausen und Meiningen daran teil. (dpa/red)

• Mehr zum Programm der Fête de la Musique im Internet unter: www.tlz.de

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Ein Musiker spielt beim Straßenmus­ikfestival Fête de la Musique in Gera.

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