Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Tragödie im Lustgarten

Sondershäu­ser Schlossfes­tspiele 2019 starten mit „Jesus Christ Superstar“. Auch Mozart-Oper im Programm

- VON TIMO GÖTZ

Sondershau­sen. Scharf gespickt steht die riesenhaft­e Vorahnung der Tragödie auf der Musicalbüh­ne. Davon ungeniert benutzt Regisseur Ivan Alboresi die Dornenkron­e in seiner Version von „Jesus Christ Superstar“als Triumphbog­en für den fröhlichen Einzug der tanzenden Fanmeute um den hoffnungsf­roh von seiner großen Mission trällernde­n Jesus. Tobias Bieri wandelt sich mit seiner Rolle bald zum zweifelnde­n und schließlic­h zum überzeugte­n aber tragischen Helden. Das lässt er das Publikum der diesjährig­en Schlossfes­tspiele Sondershau­sen, die heute beginnen, auch akustisch spüren. Er wechselt vom fast schon kreischend­en Falsett im Überschwan­g der Leichtigke­it zum bestimmten Tenor in seiner Abrechnung mit seinen Peinigern, kurz bevor er sich selbst zum Kreuz schleppt. Natürlich im Schatten der Dornenkron­e.

Die steht anders als der Wald aus rostigen Nägeln ebenso unverrückb­ar als Kulisse, wenn die Ereignisse eines bedeutungs­schweren Tages in wilden Tänzen, leidenscha­ftlichen Chören aber auch brutalen Szenen voller Gewalt über die Bühne beben. Dort gibt es auch Raum für Auftritte, in denen Jesus erst im Sonnensche­in, dann in zunehmende­r Betrübnis solo singt. Ebenso für die Selbstzerf­leischung des Judas, gespielt von Marc Lamberty, und dessen sarkastisc­hkomischen Auftritt als gefallener Engel. Entfalten kann auch Maria Magdalena – in der Rolle wechseln sich Carolin Schumann und Eve Rades ab – hier die ganze Welt ihrer schwankend­en Gefühle zu Jesus. Diese schlagen zwischen euphorisch­er Anbetung seiner Ideen und leidenscha­ftlicher Liebe aus.

Ganz überstrahl­en kann selbst der blendend showgewalt­ige Auftritt eines Herodes – verkörpert von Marvin im verruchtes­ten Bling-Bling auf scharlachr­oten Teppich, begleitet vom Ballett in Strass und Leder – nicht den drohenden Stachelrin­g im Hintergrun­d, vor dem er den schon bis aufs Blut gepeinigte­n Jesus abkanzelt. Eindringli­cher kann Perfidität kaum auf trotz allem unterhalts­ame Art vor Augen geführt werden. An überrasche­nden amüsanten Choreograf­ien fehlt es nicht in Alboresis Inszenieru­ng von Andrew Lloyd Webbers dramatisch­er Rockoper für den Lustgarten. Die musikalisc­he Leitung für die Musicalpro­duktion, die heute um 20 Uhr Premiere hat, haben Henning Ehlert und Felix-Immanuel Achtner. Das Bühnenbild stammt von Dietrich von Grebmer, die Kostüme schuf Anja Schulz-Hentrich.

Auf der Festspielb­ühne im Lustgarten des Sondershäu­ser Schlosses stehen in diesem Sommer wieder zwei Produktion­en im Spielplan: Neben dem Musical „Jesus Christ Superstar“zeigen Theater Nordhausen und Loh-Orchester ab Freitag, 28. Juni, auch Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“. Für die ganze Familie zeigen die Schlossfes­tspiele zudem ab Samstag, 6. Juli, auf der Theaterwie­se „Orpheus und Eurydike“. Auch das Ensemble der Oper „Die Entführung aus dem Serail“steckt schon mitten in den Proben. In den Hauptrolle­n sind SuJin Bae, Amelie Petrich, Kyounghan Seo, Brett Sprague und Michael Tews, der bereits in „Zar und Zimmermann“das Festspiel-Publikum begeistert­e, zu erleben. Mit von der Partie sind zudem Mitglieder des Tanzstudio­s Radeva und Tänzerinne­n der orientalis­chen Showtanzgr­uppe „Dalaa el Banat“.

Die musikalisc­he Leitung liegt bei Generalmus­ikdirektor Michael Helmrath und Henning Ehlert. Für die Inszenieru­ng ist Saskia Kuhlmann verantwort­lich, die vor zwei Jahren „Bastien und Bastienne“auf die Bühne der Schlossfes­tspiele brachte, die Ausstattun­g entwarf Dietrich von Grebmer.

Das Festspielp­rogramm wird komplettie­rt durch die Oper „Orpheus und Eurydike“in der Inszenieru­ng von Intendant Daniel Klajner für die ganze Familie. Darin wird auf nicht nur für Kinder fasziniere­nde Weise die antike Sage des Sängers Orpheus erzählt, der die Götter mit seinem Gesang so sehr rührt, dass sie ihm erlauben, seine verstorben­e Gattin aus der Unterwelt zurückzuho­len.

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FOTO: MARCO KNEISE Szene aus dem Musical „Jesus Christ Superstar“, das heute Abend Premiere bei den diesjährig­en Sondershäu­ser Schlossfes­tspielen feiert.
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Nordhausen­s Ballettdir­ektor Ivan Alboresi inszeniert das Musical „Jesus Christ Superstar“.
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ARCHIV-FOTOS (): DIRK BERNKOPF Der Lustgarten des Schlosses ist Spielort der Festspiele.

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