Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Vertagt, nicht gescheiter­t

EU-Gipfel lässt Türen offen

- VON CHRISTIAN KERL

Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis des EU-Gipfels aus wie eine Mischung aus Unvermögen und Arbeitsver­weigerung: Die Regierungs­chefs haben sich weder auf ein neues Klimaschut­zziel verständig­t noch ein Personalpa­ket für die EU-Führungsjo­bs geschnürt.

Diesmal war es kein Fehler, Entscheidu­ngen zu vertagen. Ein Blick auf das Thema Klimaschut­z genügt: Mit einem Beschluss, die Wirtschaft in ganz Europa innerhalb von 30 Jahren klimaneutr­al zu stellen, war in Brüssel im Ernst überhaupt nicht zu rechnen. Es wäre ein gewaltiges Vorhaben, den Treibhausg­asausstoß in Europa bereits bis 2050 netto auf null zu senken – also in erster Linie CO2 einzuspare­n.

Eiliger sind die Personalen­tscheidung­en. Aber auch hier ist niemand von der Vertagung überrascht. Zu viele Regierungs­chefs sind aus parteitakt­ischen Gründen auf die Barrikaden geklettert, von denen sie erst noch herunter müssen; allen voran Frankreich­s Präsident Macron. Auch seinem Einfluss ist es zu verdanken, dass sich im EU-Parlament bisher keine Mehrheit für einen der Spitzenkan­didaten gefunden hat. CSU-Vize Manfred Weber, der zu Recht als Kandidat der stärksten Fraktion Anspruch auf das Amt des Kommission­spräsident­en erhebt, hätte noch eine Chance. Die Frage ist nur, wie lange seine Partei hinter ihm steht.Äußerungen von Kanzlerin Merkel ließen sich so deuten, dass sie bereit sein könnte, Weber fallen zu lassen. Doch scheitert er, scheitern auch die anderen Spitzenkan­didaten – die Tür wäre offen für jene Kungelei der Regierungs­chefs, die mit der Europawahl beendet sein sollte.

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