Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Neue Blicke auf Meister Eckhart
Die Meister-Eckhart-Tage sollen den Erfurtern den alten Gelehrten näher bringen. Auch Martina Gedeck ist wieder dabei. Noch Karten verfügbar
Erfurt. Schon zum dritten Mal bieten die Meister-Eckhart-Tage mit Tanz, Lesung und Wissenschaft ein breites Programmspektrum rund um den mittelalterlichen Denker und Theologen. Wir sprachen mit dem Religionswissenschaftler und Teamleiter des Erfurter EckhartInitiativkreises, Maximilian Gutberlet, der die Tage unter anderem mit der Predigergemeinde und der Evangelischen Erwachsenenbildung organisiert.
Erfurt gilt als Meister-EckhartStadt? Warum?
Eckhart stammte aus der Nähe von Erfurt und trat in jungen Jahren als Novize ins Erfurter Predigerkloster ein. Hier machte er schnell Karriere und wurde später sogar Prior des Klosters, also der Leiter. Dies ist die einzige noch erhaltene Wirkungsstätte des Meisters. Damit ist Erfurt etwas ganz Besonderes, selbst im Vergleich zu Köln oder Paris, wo er ebenfalls gewirkt hat.
Wie beeinflusst sein Wirken die Stadt noch heute?
Da gibt es mehr, als man zunächst glaubt. Institutionen wie die Predigergemeinde, die Meister-Eckhart-Forschungsstelle oder auch ein Lions Club setzen sich vor Ort in vielfältigen Veranstaltungen und Projekten mit seinem Erbe auseinander, beispielsweise mit Meditationen zu seinen Texten oder Universitätsseminaren. Ein zentrales Anliegen der Meister-Eckhart-Tage ist es gerade, diesen wichtigen Sohn der Stadt mehr ins lokale Bewusstsein zu rufen und ihn einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Die Texte Meister Eckharts stammen aus dem Mittelalter. In welche Lebensbereiche lassen sich diese Jahrhunderte alten Lehren heute noch einbeziehen?
Im Grunde in alle! So hat er davon gesprochen, ‚mitten im Wirken innerlich ungebunden‘ zu sein, also eine bewusste Haltung der inneren Ruhe und Konzentration zu entwickeln, die auch und gerade im Trubel des vollen Alltags Bestand hat. Im 13. Jahrhundert war das ein innovativer Gedanke, der vermutlich nur von einem Mönch aus einem Bettelorden kommen konnte, wie Eckharts Dominikanerorden einer war. Eckharts Besinnung aufs Wesentliche, auch im geschäftigen Treiben, Maximilian Gutberlet beschäftigt sich seit Jahren mit Meister Eckhart und organisiert mit seinem Team Veranstaltungen rund um den Lehrmeister.
sollten wir uns heutzutage sehr zu Herzen nehmen.
Die Meister-Eckhart-Tage finden nun schon zum dritten Mal in Erfurt statt. Was gibt es Neues?
Es gibt wieder einige Besonderheiten: Der akademische Workshop unter Leitung von Dietmar Mieth, dem Leiter der MeisterEckhart-Forschungsstelle am Max-Weber-Kolleg, ist diesmal auch für die breitere Öffentlichkeit ausgelegt.
Man muss also nicht unbedingt Geschichte oder Theologie studiert haben, um sich hier dem Thema‚ Geschichten und Legenden um Meister Eckhart zu nähern. Für die Predigt im ökumenischen Eröffnungsgottesdienst konnten wir den Direktor des Max-Weber-Kollegs, Hartmut Rosa, gewinnen, der seine viel beachtete Resonanztheorie mit Eckhart in Verbindung bringen wird.
Und abseits der Wissenschaft? Martina Gedecks Lesung von Eckhart-Texten hatte 2013 so großes Lob und Nachfrage erfahren, dass sie wieder im Programm ist. Diesmal sogar mit besonderer muskalischer Begleitung des Ensembles ‚Unio Mystica‘. Und mit zwei Aufführungen eines Tanztheater-Stücks in der Barfüßerruine, das die Texte des Meisters in moderne Bewegungsformen und visuelle Gestaltung überführt, probieren wir etwas ganz Neues aus. Ich begleite die Erarbeitung des Stücks und kann bereits verraten, dass man Eckhart in dieser Form ganz sicher noch nie gesehen hat.
Die Choreographie
ist
jetzt schon wunderschön, und die mittelalterliche Klosterruine bildet eine hervorragende Kulisse!
Also ist auch für nicht-christlich veranlagte Menschen etwas dabei?
Die eben schon erwähnte innere Haltung bei Eckhart passt sehr gut zu Konzepten der Achtsamkeit, Mindfulness oder des Buddhismus in Formen, die sich in unserer Zeit auch unter Atheisten großen Zuspruchs erfreuen.
Aber spirituelle und religiöse Bezüge schwingen doch immer mit.
Generell kann man ja feststellen, dass die allerwenigsten Menschen im strengen Sinn Atheisten sind. Viele sehen aber die Vorstellung eines personalen Gottes und kirchliche Strukturen sehr kritisch. Und genau das waren auch zentrale Kritikpunkte Eckharts! Er hat Gott sozusagen nicht ‚oben‘, außerhalb des Menschen gesucht, sondern im Innersten der Seele. Zugespitzt kann man sogar sagen, dass Gotteserkenntnis für ihn mit Selbsterkenntnis zusammenfällt, und damit können sicher auch viele Atheisten, Agnostiker oder religionskritische Menschen etwas anfangen. Das ist einer der Gründe, weswegen ich Eckhart so wichtig finde – mit ihm kann man nicht nur eine Brücke für den interkonfessionellen oder interreligiösen Dialog bauen, sondern sogar für den Dialog zwischen Religion und Nicht-Religion. Außerdem mache ich in verschiedenen Projekten immer wieder die Erfahrung, dass seine Texte ganz unabhängig vom religiösen Gehalt enorm viel in ästhetischer und intellektueller Hinsicht hergeben.
Es gibt viele verschiedene Schreibweisen für den Namen des Meisters. Welche ist nun eigentlich die Richtige?
Seit einigen Jahren hat sich ‚Meister Eckhart‘ ohne das ‚d‘ etabliert. Zu seiner Zeit selbst gab es aber noch keine einheitliche Rechtschreibung, so dass es ganz normal war, dass mehrere Schreibweisen im Umlauf waren. Der Duden war noch lange nicht in Sicht, und streng genommen handelt es sich beim sogenannten Mittelhochdeutschen, das Eckhart gesprochen hat, nicht einmal um dieselbe Sprache, die wir heute verwenden. Es begegnen einem aber auch heute noch verschiedenste Varianten des Namens, so bspw. auf dem Straßenschild der „MeisterEckehart-Straße“an der Predigerkirche oder im Namen des Erfurter Lions Clubs „Meister Ekkehard“, der auch immer wieder Projekte rund um diesen besonderen Denker unterstützt.
• Meister-Eckhart-Tage vom . bis . Juni; Programm im Internet unter: www.meister-eckharterfurt.de
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Karten: Ticketshop Thüringen