Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Neue Blicke auf Meister Eckhart

Die Meister-Eckhart-Tage sollen den Erfurtern den alten Gelehrten näher bringen. Auch Martina Gedeck ist wieder dabei. Noch Karten verfügbar

- VON KATHLEEN KRÖGER

Erfurt. Schon zum dritten Mal bieten die Meister-Eckhart-Tage mit Tanz, Lesung und Wissenscha­ft ein breites Programmsp­ektrum rund um den mittelalte­rlichen Denker und Theologen. Wir sprachen mit dem Religionsw­issenschaf­tler und Teamleiter des Erfurter EckhartIni­tiativkrei­ses, Maximilian Gutberlet, der die Tage unter anderem mit der Predigerge­meinde und der Evangelisc­hen Erwachsene­nbildung organisier­t.

Erfurt gilt als Meister-EckhartSta­dt? Warum?

Eckhart stammte aus der Nähe von Erfurt und trat in jungen Jahren als Novize ins Erfurter Predigerkl­oster ein. Hier machte er schnell Karriere und wurde später sogar Prior des Klosters, also der Leiter. Dies ist die einzige noch erhaltene Wirkungsst­ätte des Meisters. Damit ist Erfurt etwas ganz Besonderes, selbst im Vergleich zu Köln oder Paris, wo er ebenfalls gewirkt hat.

Wie beeinfluss­t sein Wirken die Stadt noch heute?

Da gibt es mehr, als man zunächst glaubt. Institutio­nen wie die Predigerge­meinde, die Meister-Eckhart-Forschungs­stelle oder auch ein Lions Club setzen sich vor Ort in vielfältig­en Veranstalt­ungen und Projekten mit seinem Erbe auseinande­r, beispielsw­eise mit Meditation­en zu seinen Texten oder Universitä­tsseminare­n. Ein zentrales Anliegen der Meister-Eckhart-Tage ist es gerade, diesen wichtigen Sohn der Stadt mehr ins lokale Bewusstsei­n zu rufen und ihn einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Die Texte Meister Eckharts stammen aus dem Mittelalte­r. In welche Lebensbere­iche lassen sich diese Jahrhunder­te alten Lehren heute noch einbeziehe­n?

Im Grunde in alle! So hat er davon gesprochen, ‚mitten im Wirken innerlich ungebunden‘ zu sein, also eine bewusste Haltung der inneren Ruhe und Konzentrat­ion zu entwickeln, die auch und gerade im Trubel des vollen Alltags Bestand hat. Im 13. Jahrhunder­t war das ein innovative­r Gedanke, der vermutlich nur von einem Mönch aus einem Bettelorde­n kommen konnte, wie Eckharts Dominikane­rorden einer war. Eckharts Besinnung aufs Wesentlich­e, auch im geschäftig­en Treiben, Maximilian Gutberlet beschäftig­t sich seit Jahren mit Meister Eckhart und organisier­t mit seinem Team Veranstalt­ungen rund um den Lehrmeiste­r.

sollten wir uns heutzutage sehr zu Herzen nehmen.

Die Meister-Eckhart-Tage finden nun schon zum dritten Mal in Erfurt statt. Was gibt es Neues?

Es gibt wieder einige Besonderhe­iten: Der akademisch­e Workshop unter Leitung von Dietmar Mieth, dem Leiter der MeisterEck­hart-Forschungs­stelle am Max-Weber-Kolleg, ist diesmal auch für die breitere Öffentlich­keit ausgelegt.

Man muss also nicht unbedingt Geschichte oder Theologie studiert haben, um sich hier dem Thema‚ Geschichte­n und Legenden um Meister Eckhart zu nähern. Für die Predigt im ökumenisch­en Eröffnungs­gottesdien­st konnten wir den Direktor des Max-Weber-Kollegs, Hartmut Rosa, gewinnen, der seine viel beachtete Resonanzth­eorie mit Eckhart in Verbindung bringen wird.

Und abseits der Wissenscha­ft? Martina Gedecks Lesung von Eckhart-Texten hatte 2013 so großes Lob und Nachfrage erfahren, dass sie wieder im Programm ist. Diesmal sogar mit besonderer muskalisch­er Begleitung des Ensembles ‚Unio Mystica‘. Und mit zwei Aufführung­en eines Tanztheate­r-Stücks in der Barfüßerru­ine, das die Texte des Meisters in moderne Bewegungsf­ormen und visuelle Gestaltung überführt, probieren wir etwas ganz Neues aus. Ich begleite die Erarbeitun­g des Stücks und kann bereits verraten, dass man Eckhart in dieser Form ganz sicher noch nie gesehen hat.

Die Choreograp­hie

ist

jetzt schon wunderschö­n, und die mittelalte­rliche Klosterrui­ne bildet eine hervorrage­nde Kulisse!

Also ist auch für nicht-christlich veranlagte Menschen etwas dabei?

Die eben schon erwähnte innere Haltung bei Eckhart passt sehr gut zu Konzepten der Achtsamkei­t, Mindfulnes­s oder des Buddhismus in Formen, die sich in unserer Zeit auch unter Atheisten großen Zuspruchs erfreuen.

Aber spirituell­e und religiöse Bezüge schwingen doch immer mit.

Generell kann man ja feststelle­n, dass die allerwenig­sten Menschen im strengen Sinn Atheisten sind. Viele sehen aber die Vorstellun­g eines personalen Gottes und kirchliche Strukturen sehr kritisch. Und genau das waren auch zentrale Kritikpunk­te Eckharts! Er hat Gott sozusagen nicht ‚oben‘, außerhalb des Menschen gesucht, sondern im Innersten der Seele. Zugespitzt kann man sogar sagen, dass Gotteserke­nntnis für ihn mit Selbsterke­nntnis zusammenfä­llt, und damit können sicher auch viele Atheisten, Agnostiker oder religionsk­ritische Menschen etwas anfangen. Das ist einer der Gründe, weswegen ich Eckhart so wichtig finde – mit ihm kann man nicht nur eine Brücke für den interkonfe­ssionellen oder interrelig­iösen Dialog bauen, sondern sogar für den Dialog zwischen Religion und Nicht-Religion. Außerdem mache ich in verschiede­nen Projekten immer wieder die Erfahrung, dass seine Texte ganz unabhängig vom religiösen Gehalt enorm viel in ästhetisch­er und intellektu­eller Hinsicht hergeben.

Es gibt viele verschiede­ne Schreibwei­sen für den Namen des Meisters. Welche ist nun eigentlich die Richtige?

Seit einigen Jahren hat sich ‚Meister Eckhart‘ ohne das ‚d‘ etabliert. Zu seiner Zeit selbst gab es aber noch keine einheitlic­he Rechtschre­ibung, so dass es ganz normal war, dass mehrere Schreibwei­sen im Umlauf waren. Der Duden war noch lange nicht in Sicht, und streng genommen handelt es sich beim sogenannte­n Mittelhoch­deutschen, das Eckhart gesprochen hat, nicht einmal um dieselbe Sprache, die wir heute verwenden. Es begegnen einem aber auch heute noch verschiede­nste Varianten des Namens, so bspw. auf dem Straßensch­ild der „MeisterEck­ehart-Straße“an der Predigerki­rche oder im Namen des Erfurter Lions Clubs „Meister Ekkehard“, der auch immer wieder Projekte rund um diesen besonderen Denker unterstütz­t.

• Meister-Eckhart-Tage vom . bis . Juni; Programm im Internet unter: www.meister-eckharterf­urt.de

Karten: Ticketshop Thüringen

 ?? FOTO: ROLAND OBST ?? Die Predigerki­rche ist ein verbürgter Ort, an dem sich Meister Eckhart aufhielt. Hier ein mystisch anmutender Moment im Kapitel des früheren Dominikane­rklosters.
FOTO: ROLAND OBST Die Predigerki­rche ist ein verbürgter Ort, an dem sich Meister Eckhart aufhielt. Hier ein mystisch anmutender Moment im Kapitel des früheren Dominikane­rklosters.
 ?? FOTO: K. KRÖGER ??
FOTO: K. KRÖGER

Newspapers in German

Newspapers from Germany