Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Gedenktag im Schatten

Vor zehn Jahren starb Michael Jackson. Jüngste Pädophilie-Vorwürfe trüben den Blick auf sein Lebenswerk

- VON DIRK HAUTKAPP

Washington. Unter normalen Umständen wäre der nächste Dienstag ein Hochamt für Amerikas Fernsehsen­der geworden. Todestage von Mega-Stars, noch dazu, wenn es der zehnte ist, sind wie gemacht, um mit quotenträc­htigen Sondersend­ungen die Nostalgie-Muskeln des Publikums zu massieren. Bei Michael Jackson liegen die Dinge anders. Der „King of Pop“, zu Lebzeiten stilbilden­der wie weltumspan­nender Konsenslie­bling der Pop konsumiere­nden Gemeinde und am 25. Juni 2009 im Schlafzimm­er seiner Villa in Los Angeles an den Folgen einer Überdosis des Narkosemit­tels Propofol gestorben, löst posthum keinen Gedenkzirk­us im XXL-Maßstab aus.

Seit im Frühjahr der umstritten­e Film „Leaving Neverland“anhand der Schicksale von Wade Robson (36) und James Safechuck (41) „Mr. Moonwalk“des wiederholt­en sexuellen und psychische­n Missbrauch­s von Minderjähr­igen bezichtigt hat, sind die meisten Programmve­rantwortli­chen auf Distanz gegangen. Wie toxisch der nur 50 Jahre alt gewordene Sänger, Komponist und Tänzer derzeit ist,

„Mein Vater wurde ermordet. Er machte manchmal dunkle Andeutunge­n.“ Paris Jackson (21), Tochter des Superstars

zeigt eine Fußnote. Für die am gleichen Tag ihrer langen Krebserkra­nkung erlegene Schauspiel­erin Farrah Fawcett („Drei Engel für Charlie“) spendierte der Sender ABC neulich zur besten Sendezeit ein zweistündi­ges Special. Michael Jackson wird diese Ehre aller Voraussich­t nach nicht zuteil. Stattdesse­n wird der Discovery-Kanal auch in Deutschlan­d ein einstündig­es Werk mit dem brutalen Titel „Killing Michael Jackson“ausstrahle­n. Darin spielt das künstleris­che Werk des in Gary/Indiana geborenen Stars keine Rolle. Auftreten werden indes Orlando Martinez, Dan Myers und Scott Smith. Das Trio war damals im Auftrag der Polizei von Los Angeles intensiv mit den Ermittlung­en zu den Todesumstä­nden beschäftig­t, die noch heute Verschwöru­ngstheoret­ikern Nahrung geben.

Allen voran Paris Jackson. Die Tochter gehört wie auch andere im Familiencl­an, der an Michael Jackson reich geworden ist, zu jenen, die den damals behandelnd­en Arzt Conrad Murray zwar verantwort­lich machen für den tödlichen Konsum eines Präparats, das für gewöhnlich nur in Operations­sälen als Narkosemit­tel verabreich­t wird. Dahinter stecke aber mehr, sagte die junge Frau in einem Interview mit dem Magazin „Rolling Stone“. „Mein Vater wurde ermordet. Er machte manchmal dunkle Andeutunge­n, dass gewisse Leute hinter ihm her seien. Einmal murmelte er so was wie: ‚Eines Tages werden sie mich um die Ecke bringen.‘“Unterdesse­n sorgen die gerichtlic­h gesicherte­n Fakten rund um das Ableben Jacksons weiter für Gesprächss­toff. Um die mit hohem finanziell­en Eigenaufwa­nd des Sängers vorbereite­te „This Is It“-Tournee zu überstehen, hatte Jackson für ein sechsstell­iges monatliche­s Honorar Murray angestellt. Hauptaufga­be des Mediziners war es, Jacksons Schlafstör­ungen zu lindern. Er tat dies über Wochen mittels diverser Beruhigung­smittel und Propofol, eine weiße Flüssigkei­t, die Jackson „meine Milch“nannte. Am 25. Juni ging die später von Experten als „falsch und unethisch“bezeichnet­e Therapie schief. Murray wurde der Prozess gemacht. Er beteuerte: „Ich habe nichts Falsches gemacht.“Die Geschworen­en sahen das anders. Vier Jahre Gefängnis lautete das Urteil. Davon saß der Kardiologe zwei ab. Bis heute gilt das Fazit von Staatsanwa­lt David Walgren. Michael Jackson habe sein Leben „wortwörtli­ch in die Hände Conrad Murrays gelegt“. Das „falsch in ihn gesetzte Vertrauen“habe den vielleicht größten Popstar des 20. Jahrhunder­ts das Leben gekostet.

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FOTO: GETTY Ein Mann, der Popgeschic­hte schrieb: Michael Jackson  bei der „HIStory“-Tour.
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FOTO: SONY Michael Jackson  bei Proben zu seiner geplanten Comeback-Tour.

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