Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Was ist für Sie Zuhause, Stefan Völker?

- Aufgezeich­net: Ariana Mirza

Kurz nach der Wende waren meine Frau und ich in Österreich im Urlaub. Es hat uns damals in Zell am See so gut gefallen, dass ich mich spontan um eine Stelle am dortigen K ankenhaus bewarb. Die Sekretärin beschied mir, man stelle grundsätzl­ich keine Ausländer ein. Jahre später traf ich zufällig den Chefarzt dieser K inik und er be- teuerte, das sei Unsinn gewesen, er hätte mich gern eingestell­t. Aber diese kleine Anekdote zeigt, wie viel im Leben – und manchmal eben auch, wo man schließlic­h zu Hause ist – auf Zufällen beruht. Heute arbeite ich in Weimar am K ankenhaus und lebe sehr zufrieden am Stadtrand, in einer dörf ichen Umgebung. Ich schätze den schönen Garten, den weiten Blick und die Ruhe. Man kennt sich, die meisten Nachbarn zogen, wie wir auch, Anfang der 90er-Jahre hierher.

Mein Zuhause in Thüringen bietet mir ein intaktes Umfeld, meine Familie, Frieden und Ge- borgenheit. Doch seit ein anderer Zufall es wollte, dass ich 2008 an einem Workshop zu modernen Operations­techniken teilnahm, der sich an Ärzte aus Entwicklun­gsländern richtete, bin ich gewisserma­ßen auch in Nepal zu Hause. Kurz nachdem ich dort das erste Mal die fasziniere­nde Erfahrung machte, wie viel ich mit meinen Händen, meinen chirurgisc­hen Kenntnisse­n und ein wenig Eng- lisch vermitteln konnte, gründe- te ich die Initiative „Netz für Ne- pal“. Heute unterstütz­e ich mithilfe meiner Initiative ein städti- sches K ankenhaus in Nepal mit 23 Außenstati­onen in teils unwegsamen Bergregion­en. Jedes Jahr tauche ich dort für etwa zwei Wochen in einen anderen Alltag ein. In Nepal erlebe ich zum Beispiel nie einsame Patienten, da wenigstens ein Angehörige­r immer vor Ort ist, die Erwartungs­haltung der K anken ist gering, die Dankbarkei­t umso größer. Und ich selbst bin jedes Mal, wenn ich nach Thüringen zurückkehr­e, dankbar für die funktionie­rende Trinkwasse­rversorgun­g, Müllabfuhr und die Ressourcen, die uns hier zur Versorgung der Patienten zur Verfügung stehen.

„Familie, Frieden und Geborgenhe­it.“

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FOTO: TIM THONAGEL Stefan Völker, Gründer des „Netz für Nepal“aus Bad Berka.

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