Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Wiener Klassik
Die berühmte Staatsoper der österreichischen Hauptstadt feierte 150-jähriges Jubiläum
Im öffentlich zugänglichen Teil der Wiener Staatsoper drehen bereits jetzt, Stunden vor Beginn der Abendvorstellung, etliche Touristengruppen ihre Runden, weil die Faszination Oper auch ohne Musik wirkt. Hinter den Kulissen ist es anders, doch keineswegs ruhiger, weil nach der Aufführung schon wieder kurz vor der Aufführung ist. Die Bühnenarbeiter wuchten Requisiten an ihre Parkplätze auf der Seitenbühne, der Verschiebebahnhof der Kulissen läuft auf Hochtouren. Jeder Handgriff muss sitzen, es ist eine ganz besondere Art der Akkordarbeit. Man hat knapp 60 Inszenierungen im laufenden RepertoireSortiment, der blanke Luxus.
Beim Verlassen der Staatsoper durch den unscheinbaren Bühneneingang huscht der deutsche Dirigent Christian Thielemann hinein, der es offenbar eilig hat. Als er trotzdem erkannt und auf die gerade anstehende Premiere von Richard Strauss’ prächtig überladener Märchenschwarte „Frau ohne Schatten“angesprochen wird, mit der das Traditionshaus einen Tag später seinen 150. Geburtstag feiern will, ringt er sich ein preußisch forsches „Wir geben uns Mühe …“ab. Dann verschwindet er flott in den Innereien der
Traumfabrik. Womöglich steht eine letzte Probe mit den drei Weltklasse-Sängerinnen an, deren gemeinsames Auftreten selbst für ein Prestige-Haus wie die Wiener Staatsoper oberhalb von beachtlich ist: Camilla Nylund, Evelyn Herlitzius und Nina Stemme in einer Produktion? Viel mehr Vokalwucht geht bei dieser Strauss-Oper nicht und auch Thielemanns Dirigat wird in der Premiere halten, was er da zwischen Tür und Angel versprach. Der gerade diensthabende Pförtner bleibt tiefenentspannt, den kann hier so schnell niemand mehr erschüttern.
Die Architekten erlebten die Eröffnung nicht
Die Wände in den Foyers, wo Abend für Abend der Countdown zur ersten Note läuft, sind mit Fotos der vielen Legenden tapeziert, die in diesem Opernhaus gesungen oder dirigiert haben. Wer dort fehlt, dem fehlt Entscheidendes im Lebenslauf. Während dieses Opernhaus sich historisch prächtig inszeniert, geht man im Inneren mit der Zeit und sorgt für Kundendienst: Auf Displays in den Rückenlehnen und Logenbrüstungen sorgen Untertitel in sechs Sprachen dafür, dass man immer weiß, was gesungen wird, auch wenn in so mancher Handlung nicht zu jedem Zeitpunkt ganz klar wird, warum. Im historischen Stadtkern Wiens ist dem Lebensmittel Musik kaum zu entkommen. Doch das will hier ja auch niemand. Tag für Tag sind rund 10.000 Tickets für Klassik-Aufführungen in Wien im Angebot. Kreuz und quer über den Stadtplan verteilt sind die über 60 Adressen, an denen Ludwig van Beethoven wohnte. Für seine Fans bietet sich die Übernachtung im „Hotel Beethoven“an, direkt neben dem Theater an der Wien, in dem 1805 die „Fidelio“-Uraufführung über die Bühne ging. Spricht man die Hotelbesitzerin Barbara Ludwig auf ihren Nachnamen an und ob das ein Künstlername sei, antwortet sie gern und charmant, sie sei „vom Beethoven“, nicht „van“. Beethoven ist bei weitem nicht der einzige Komponist, den es nach Wien zog. Mozart ist, obwohl in Salzburg geboren, ein Stadt-heiliger; der gebürtige Hamburger und spätere Wahl-Wiener Johannes Brahms ebenso. Am heutigen Karlsplatz
Die Wiener Staatsoper ist mit vielen Statuen dekoriert.
wurde der Venezianer Antonio Vivaldi, den die unerfüllt gebliebene Hoffnung auf Ruhm und Reichtum an die Donau brachte, 1741 begraben.
Mit dem Hightech-Taktstock durch die Klassik
Besonders Beliebte Fotomotive sind die Denkmäler von Schubert und Walzerkönig Johann Strauss im Stadtpark. Ein wuchtiges Beethoven-Denkmal ist ebenfalls ganz in der Nähe: dunkel, herrisch, neun Engel zu seinen Füßen, seine neun Symphonien verkörpernd. Dass er dem Stadtkern nonchalant den Rücken zudreht, ist eine von vielen ironischen Fußnoten in der örtlichen Musikgeschichte, wo man seine Genies nicht immer so gut behandelte, wie sie es eigentlich verdient gehabt hätten.
Als ebenso lehrreiche wie unterhaltsam inszenierte Wiedergutmachung bietet sich ein Besuch im „Haus der Musik“im Palais Erzherzog Carl an der Seilerstätte 30 an. Interaktiv geht es dort zu: In einer der Treppen ist eine Tonleiter installiert, die jeden Schritt klingen lässt. Wer möchte, kann mit einem Hightech-Taktstock die Wiener Philharmoniker als virtueller Maestro dirigieren – was durchaus seine Tücken hat.
Es wird an Leben und Werke von Haydn, Mozart, Beethoven oder Mahler erinnert, mit Notenblättern, auf denen schon die Handschriften viel über den jeweiligen Charakter aussagt. Auf eine besonders tragische Geschichte verweisen die Hörrohre, die vorführen, wie der junge Beethoven immer weniger hörte, bis er komplett taub war. Auch das kürzlich erweiterte Beethovenmuseum in der Probusgasse 6 in Heiligenstadt, im 19. Bezirk gelegen, widmet sich dieser Tragödie mit einem Raum, der Beethovens „Heiligenstädter Testament“gewidmet ist, in dem er 1802 auf anrührende Weise mit seinem Schicksal haderte.