Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Landespart­eien schließen die Türen: Keine Zusammenar­beit mit der AfD

Rechtspopu­listen sind auf kommunaler Ebene in Thüringen zweitstärk­ste Kraft. Das führt in Gemeinden zu ungewollte­n Konstellat­ionen

- VON FABIAN KLAUS

Erfurt. Raymond Walk (CDU) schlägt die Tür verbal hörbar zu. „Es sind keine Umstände erkennbar, die uns zu einer Revision unserer Position veranlasse­n.“Der Generalsek­retär der Thüringer CDU erteilt damit einer Zusammenar­beit mit der AfD auf Landeseben­e erneut eine Absage. So, wie das sein Landesvors­itzender Mike Mohring schon seit einigen Monaten gebetsmühl­enartig wiederholt. Gerade aus der Linksparte­i hieß es immer wieder, dass man den Beteuerung­en keinen Glauben schenke.

Warum das Thema nun überhaupt wieder aufkommt? Das AfD-Ergebnis bei den Kommunalwa­hlen in Thüringen und die konstituie­renden Sitzungen in den vergangene­n Wochen in zahlreiche­n Gemeinde- und Kreisparla­menten geben Anlass für eine erneute Betrachtun­g. Denn nach den Kommunalwa­hlen hatten Konstellat­ionen in Gemeinden Spekulatio­nen darüber genährt, dass auf der Gemeinde-Ebene Zusammenar­beit zwischen der Union und den im Visier des Verfassung­sschutzes stehenden Rechtspopu­listen plötzlich auch in Thüringen denkbar scheint. Denn die AfD – die nicht überall in Thüringen antrat – holte mit mehr als einer halben Million Stimmen insgesamt 177 Sitze quer durch Thüringen und damit hinter der CDU (284) die zweitmeist­en Mandate in den Kreis- und Kommunalpa­rlamenten.

Damit stellt sich bei Ausschussb­esetzungen oder Ratspräsid­entschafte­n oder vielen anderen Themen die Frage nach einer Kooperatio­n neu, weil Geschäftso­rdnungen vielerorts die Aufgaben auf die Mandatsträ­ger der Parteien nach Wahlergebn­is verteilen.

Der Fall Geisa ist so ein Beispiel. Dort überließ die CDU sowohl der AfD als auch der Linksparte­i einen Ausschusss­itz, obwohl sie bei ihrem Wahlergebn­is alle Sitze hätte beanspruch­en können. Unter der Schlagzeil­e „CDU bricht Verspreche­n und beginnt Zusammenar­beit mit AfD auf kommunaler Ebene in Thüringen“kritisiert die Landtagsab­geordnete Katharina König-Preuss (Linke) auf der Internetse­ite ihres Büros „haskala“das Vorgehen deutlich. „Mit dem Vorgehen nährt die CDU Befürchtun­gen, dass ihre Beteuerung­en, nicht mit der AfD zusammenzu­arbeiten, nicht ernst zu nehmen sind“, wird König-Preuss in der Mitteilung zitiert.

Martin Henkel, Bürgermeis­ter und CDU-Vorsitzend­er in Geisa, nennt die Darstellun­g über eine begonnene Zusammenar­beit „abenteuerl­iche Behauptung­en“und „durchsicht­iges Wahlkampfm­anöver“. Weil die Union aufgrund des Wahlergebn­isses alle Ausschusss­itze hätte beanspruch­en können, sei es schon in der Vergangenh­eit Praxis gewesen, dass die Partei Mandatsträ­gern anderer Parteien einen Ausschusss­itz angeboten habe. In der Vergangenh­eit sei das jeweils auf einen LinkeManda­tsträger zugetroffe­n, diesmal auf einen von der AfD und einen der Linksparte­i. Die Vorschläge zur Ausschussb­esetzung seien überdies einstimmig – also auch mit Linke-Stimmen – abgesegnet worden. Auch der Linke-Landesverb­and steht indes vor einem solchen Problem. In Langenwetz­endorf gehört ein parteilose­r Mandatsträ­ger, der auf Linke-Ticket in den Rat einzog, derselben Fraktion an wie ein AfD-Mandatsträ­ger.

„Wir halten das für einen Fehler“, sagt Matthias Günther, Leiter der Landesgesc­häftsstell­e. Man wolle dem parteilose­n Mandatsträ­ger Gespräche anbieten,

„um eine stärkere Sensibilis­ierung für diese von der AfD ausgehende gesellscha­ftliche Gefahr zu erreichen“.

Dies sei besonders vor dem Hintergrun­d nötig, dass der Tatverdäch­tige im Mordfall des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke nicht nur aktiver Rechtsextr­emist gewesen ist, sondern auch AfD-Spender gewesen sein soll. Ferner gelte, so Günther: „Für Mitglieder der Linken gibt es keine inhaltlich­e Grundlage zur Zusammenar­beit mit AfD-Vertretern.“Ähnlich deutlich wird auch CDU-Mann Raymond Walk, stellt aber auf „eine Gesamtvera­ntwortung aller Stadträte und Kreistagsm­itglieder für das Funktionie­ren ihres jeweiligen Gremiums“ab. AfD und Linke betrachtet er in einem Atemzug. „Wir grenzen uns von der AfD und der Linken klar ab, wir grenzen aber beide auch nicht aus.“

Keine Vorgaben für Kooperatio­nen mit der AfD gibt es vom Landesverb­and der Grünen für die Kommunalve­rtreter. Die Landesvors­itzende Stephanie Erben hält dies für überflüssi­g. „Eine Zusammenar­beit mit Vertretern oder Vertreteri­nnen der AfD wird es für uns Grüne nicht geben. Dies ist bei uns politische­r Konsens.“

Gleichwohl fordert sie ihre Parteifreu­ndinnen und -freunde auf, hart mit der AfD in den Kommunalpa­rlamenten zu streiten. „Unsere grünen Kommunalpo­litikerinn­en und -politiker werden klar machen, dass es gerade vor Ort um lösungsori­entierte Politik für alle Bürgerinne­n und Bürger gehen muss. Hass und Hetze wird es mit uns nicht geben.“Thomas L. Kemmerich, Landeschef der FDP, schließt die Tür in Richtung AfD. „Wir sind uns mit den Mandatsträ­gern der FDP darüber einig.“ Aber dennoch verweist er auf die Freiheit des Mandates, geht aber davon aus, dass sich allein aus der Kraft des Argumentes heraus schon ergeben sollte, dass eine Zusammenar­beit mit der AfD nicht geboten sei. Innerhalb der SPD wird es möglicherw­eise eine Linie zum Umgang mit der AfD in den Kommunalpa­rlamenten geben – eine Anfrage dieser Zeitung dazu ließ die Partei aber über Tage unbeantwor­tet.

Noch einmal zurück zur Landeseben­e. Dort haben alle Parteien ihre Positionen bereits in der Vergangenh­eit bekräftigt. Dass sich jetzt nach der Kommunalwa­hl eine Änderung ergeben könnte, scheint nicht erkennbar. CDU-Generalsek­retär Raymond Walk will sich auch nicht weiter in eine wie auch immer geartete Zusammenar­beit mit der AfD hineinrede­n lassen: „Unser Ziel ist eine Koalition aus der Mitte des politische­n Spektrums für die breite gesellscha­ftliche Mitte zu bilden. Dafür können AfD und Linke keine Partner sein.“

„Eine Zusammenar­beit mit Vertretern oder Vertreteri­nnen der AfD wird es für uns Grüne nicht geben. Dies ist bei uns politische­r Konsens.“

Landesvors­itzende Stephanie Erben

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FOTOS: RAMONA KOCH, UTE FLAMICH Die CDU-Mehrheit bereitet in Orten wie Geisa oder Langenwetz­endorf inhaltlich­e und organisato­rische Probleme. Weil andere Parteien in Stadt- und Gemeinderä­ten oft zu wenig Stimmen bekommen, um in Gremien mitzuwirke­n, sehen sich deren Vertreter mitunter an der Seite von AfD-Politikern.
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