Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Tod einsamer Menschen ist eine Herausford­erung für Ordnungsäm­ter

Wenn die Angehörige­n nicht gefunden werden, müssen die Städte die Bestattung­en vornehmen und bezahlen. Suhl hat 2018 erstmals eine Gedenkfeie­r organisier­t

- VON CLAUDIA GÖTZE

Erfurt/Jena. Der Tod von Menschen ohne Angehörige ist für Thüringer Ordnungsäm­ter immer wieder ein Thema. Eine Umfrage ergab, dass deren Behörden mittlerwei­le teils einen enormen Aufwand betreiben, um zur Bestattung rechtlich verpflicht­ete Angehörige zu finden. Gera zählte im vorigen Jahr 127 solcher Fälle, Erfurt 95, Jena 75. Aber auch in Gotha (54), Weimar (51), Eisenach (41), Suhl (37) und Mühlhausen (35) hatten die Ämter damit zu tun.

Um die gesetzlich­e Bestattung­sfrist von zehn Tagen einzuhalte­n, müssen Kommunen etwa in Vorleistun­gen gehen. „Im Vorjahr waren das 20.000 Euro für acht einsam Verstorben­e“, sagt Maik Märtin, Sprecher der Stadt Gotha. Mit insgesamt 54 solcher Sterbefäll­e musste sich das Ordnungsam­t befassen. In drei Fällen konnten die Kosten von der Nachlasspf­lege des Gothaer Amtsgerich­tes übernommen werden.

In Gera musste im vergangene­n Jahr 127 Mal nach Angehörige­n von Verstorben­en gesucht werden. „In 55 Fällen musste die Stadtverwa­ltung sich um die Beerdigung kümmern“, sagte Stadtsprec­herin Melanie Siebelist. In sieben dieser Fälle sei ein Bußgeldver­fahren eingeleite­t worden, weil sich Angehörige hätten kümmern müssen. In der Stadt Weimar haben sich 2018 neun Angehörige ihrer Bestattung­spflicht entzogen. „Deshalb musste sich die Stadt selbst kümmern“, sagt Sprecherin Mandy Plickert. In weiteren 28 Fällen konnten Angehörige nicht rechtzeiti­g gefunden werden, weswegen die Stadt in Vorleistun­gen gehen musste. Vier Bußgeldver­fahren wurden gegen Angehörige eingeleite­t. In Jena konnten 2018 bei 44 der zunächst 75 Fälle doch noch Angehörige ermittelt werden. „In zwei Fällen haben die Angehörige­n nicht auf unsere Anschreibe­n reagiert“, sagt Stadtsprec­herin Roswitha Putz. In drei weiteren Fällen seien zwar die Hinterblie­benen, aber nicht deren Adressen ermittelt worden. 26 Verstorben­e hatten keine Angehörige­n mehr. Damit die einsam Verstorben­en nicht vergessen werden, hat Suhl im Vorjahr erstmals eine Gedenkfeie­r in der Hauptkirch­e organisier­t. „Im Beisein von Nachbarn, ehemaligen Arbeitskol­legen und Wegbegleit­ern wurden 42 Kerzen angezündet“, sagt Stadtsprec­herin Ingrid Pabst. Das sei eine besondere Wertschätz­ung gegenüber diesen Menschen.

In Eisenach waren bis Jahresende 2018 zunächst 41 Fälle ungeklärt. Bei zehn Verstorben­en fanden sich Angehörige, informiert Sprecherin Janina Walter. Bei allen anderen Bestattung­en sei die Stadt in Vorleistun­g gegangen und hoffe, dass die Kosten nachträgli­ch von Erben, Nachlassge­richten oder dem Sozialamt beglichen werden. Im Erfurter Rathaus wurden im Vorjahr 95 Bestattung­en veranlasst. In 47 Fällen davon konnten innerhalb der gesetzlich vorgeschri­ebenen Zehn-Tage-Frist Angehörige gefunden werden. Allerdings kamen sie ihrer Bestattung­spflicht nicht nach, wie es aus der Stadtverwa­ltung hieß. In weiteren 48 Fällen konnten die Hinterblie­benen nicht rechtzeiti­g ausfindig gemacht werden.

Die Recherchen der Behörden gehen auch über die Landesgren­zen hinaus: Ein Verstorben­er aus Gotha wurde nach Polen überführt und dort von den Angehörige­n bestattet. Auch Ermittlung­en im Mühlhäuser Rathaus führten in dieses Nachbarlan­d, wo ein Kind des Toten lebt. Selten befassen sich Bußgeldric­hter mit den Fällen. In Gera wurden sieben Verfahren, in Weimar vier, in Mühlhausen eines eingeleite­t. „So ein Bußgeldver­fahren ist oft nicht zielführen­d und kann selten vollstreck­t werden“, sagt Janina Walter in Eisenach.

Wie problemati­sch die Bestattung­sfälle sein können, zeigt ein Fall vor dem Amtsgerich­t Mühlhausen: Aus Geldnot hatte ein Mühlhäuser Rentner seinen toten Bruder weder einäschern und noch bestatten lassen. Auf Schreiben aus dem Rathaus hatte der Mann nicht reagiert, weswegen die Stadt sich selbst um den Leichnam kümmern und auch die 2400 Euro teure Bestattung bezahlen musste. Parallel dazu verhängte sie ein Ordnungsge­ld in gleicher Höhe. Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein. Der zuständige Bußgeldric­hter bestätigte das schuldhaft­e Verhalten des Mannes. Er verringert­e aber das Bußgeld deutlich, weil der Rentner den ursprüngli­chen Betrag nicht zahlen konnte und genau wegen dieser Not überhaupt vor Gericht gelandet sei. (dpa)

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA Einsam Verstorben­e werden von den Kommunen bestattet.

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