Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Einsatzkrä­fte am Limit

Rettung der Verletzten bei Großübung im ICE-Tunnel Fleckberg hat zu lange gedauert. Abläufe sollen noch einmal überprüft werden

- VON KAI MUDRA FOTOS (): KAI MUDRA

Goldisthal. Rauch steigt aus dem südlichen Portal des knapp 1,5 Kilometer langen FleckbergT­unnels in der Nähe von Goldisthal (Kreis Sonneberg). Der Tunnelausg­ang liegt im Bergwald. Einsatzkrä­fte können den Rettungspl­atz am Portal nur über befestigte, teils steile Wege erreichen.MittenimTu­nnelstehte­in brennender ICE, so das Übungsszen­ario, das einer Katastroph­e gleicht. Von vielen Schwerverl­etzen ist die Rede. Insgesamt sollen 300 Reisende im Zug sein. 9.38 Uhr heulen am Samstag in Goldisthal und weiteren Orten entlang der Bahntrasse die Sirenen. Die Feuerwehre­n werden alarmiert. „Ereignis im Tunnel“, lautet der Code. 15 Tunnelbasi­seinheiten, zusammenge­setzt aus mehr als 50 Feuerwehre­n, rücken aus. Hinzu kommen 25 Einheiten aller Hilfsorgan­isationen aus elf Kreisen und kreisfreie­n Städten. Etwa 1000 Einsatzkrä­fte machen sich auf den Weg. Darunter auch 100 Bundes- und Landespoli­zisten. Sie halten Zufahrtsst­raßen für Einsatzkrä­fte frei und Gaffer zurück, erfassen aber auch die Identitäte­n der Reisenden und prüfen die der Toten. Die Großübung ist bis gegen 18 Uhr geplant. Am späten Nachmittag entschließ­t sich die Einsatzlei­tung aber zum Abbruch. Das bestätigt Marc Stielow vom Thüringer Innenminis­terium dieser Zeitung. Es hätte noch bis 20 Uhr gedauert, bis die letzten Verletzten in Kliniken gebracht worden wären.

Bereits am Mittag deutet sich an, dass die Rettung der 60 zumeist schwer verletzten Passagiere, ihre Erstversor­gung vor dem Tunnelport­al und die Klinikeinl­ieferung zu lange dauern. Diesmal wird mit doppelt so viel Verletzten trainiert wie bei früheren Übungen. Das Innenminis­terium will wissen, wie effizient ein sogenannte­r Massenanfa­ll von Verletzten bewältigt werden kann. Ein Flugzeugab­sturz oder ein Terroransc­hlag könnten solche Folgen haben. „Die Abläufe müssen wir uns noch einmal genau ansehen“, erklärt Marc Stielow. „Genau dafür sind solche Übungen gedacht, um Schwachste­llen zu erkennen.“Erfreulich sei, dass ausreichen­d Rettungswa­gen, Notärzte und Rettungssa­nitäter nach der Alarmierun­g im Einsatz gewesen seien, so Stielow. Die Großübung wird fast ausschließ­lich von ehrenamtli­chen Feuerwehrl­euten und zahlreiche­n freiwillig­en Helfern der Hilfsorgan­isationen bewältigt. Sie alle haben sich der mehrstündi­gen Schinderei gestellt. Sie alle trainieren, um im Ernstfall Leben retten zu können.

Ärgerlich für die Organisato­ren ist auch, dass die Kriseninte­rventionst­eams zur Betreuung von Angehörige­n Verstorben­er oder Verletzter fehlen. Ihre Alarmierun­g ging schief. Auf der Facebook-Seite des THW Sachsen-Thüringen beschwert sich ein Helfer, dass auch THW-Einheiten nicht alarmiert worden sein sollen.

Am Nachmittag wird die Übung abgebroche­n

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Ein schweißtre­ibender Einsatz für die Feuerwehrl­eute: Unter Atemschutz müssen sie im extrem engen und vernebelte­n ICE systematis­ch nach Verletzten suchen und diese durch die engen Zug-Gänge in den Tunnel transporti­eren.

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