Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Rechtsterroristische Tendenzen
Innenministerium: Es gibt auch in Thüringer Neonaziszene Bestrebungen, sich Waffen zu beschaffen
Erfurt. Verfassungsschutz und Innenministerium sehen in Thüringen Anzeichen für das Entstehen rechtsterroristischer Strukturen. „Im Sinne des Strafrechts konnten diese bisher aber nicht nachgewiesen werden“, sagte Innenminister Georg Maier (SPD) am Sonntag dieser Zeitung. Es gebe ernstzunehmende Bestrebungen in der rechtsextremen Szene, Waffen zu beschaffen und sich weiter zu vernetzen. Der Innenminister wollte nicht ausschließen, dass Teile der Szene bereits über Waffen verfügen.
Die Vernetzung erfolge auch mit Gruppierungen wie „Combat 18“, sowie den Nachfolgern von „Blood & Honour“. Diese Neonazigruppierung ist seit 2000 in Deutschland verboten. Auch Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer geht davon aus, „dass es rechtsterroristische Strukturen gibt, wir aber das ganze Ausmaß noch nicht sehen“. Das sei das „Ergebnis erster Erkenntnisse und einzelner Bewertungen, die sich weiter konkretisiert haben“, sagte Kramer gegenüber dem Handelsblatt.
Es gehe darum, „gezielt eine Gesellschaft in einzelne Gruppen zu spalten, diese gegeneinander aufzuhetzen und dann den Kampf auf allen Ebenen, bis hin zur blanken körperlichen Gewalt, zu führen“. Damit könnten Angst, Schrecken und blankes Chaos bis hin zum „gewollten Zusammenbruch der Gesellschaft“verbreitet werden. Die Gefahr, die von rechtsextremen Strukturen in Deutschland ausgehe, werde aus Sicht von Minister Maier inzwischen erkannt. Thüringen arbeite daher intensiv mit Sachsen und Sachsen-Anhalt zusammen. Die Innenministerien der drei Länder vereinbarten im Herbst eine Art Frühwarnsystem, mit dem Radikalisierungstendenzen der rechtsextremen Szene frühzeitig erkannt werden sollen. Dass einzelne Thüringer Neonazis Mitglied bei „Combat 18“sein sollen, ist seit Längerem Bekannt. Das bestätigte das Innenministerium auf Nachfrage der Links-Fraktion bereits im Vorjahr. Feste Strukturen soll es laut Verfassungsschutz bisher aber nicht geben. Mögliche Verbindungen zu dieser Gruppierung spielten während der Ermittlungen zum Mord an dem früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke eine Rolle. „Combat 18“ist in Großbritannien als rechtsextreme Gruppierung mit gewalttätiger Historie entstanden. Das dabei propagierte Konzept des führerlosen Widerstandes spielte auch während der Aufklärung der NSUMorde eine Rolle, da es der rechtsextremen Terrorzelle als Vorbild gedient haben soll. Die Links-Faktion im Landtag kündigte nach Bekanntwerden erster Ermittlungsergebnisse im Mordfall Lübke für den kommenden Landtag an, einen U-Ausschuss einsetzen zu wollen, der sich mit rechtsmilitanten Strukturen in Thüringen befassen soll.