Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Empörung über Postengeschacher
Die Union ist verärgert über die Demontage des Christsozialen Manfred Weber
Brüssel. Die Suche nach dem neuen EU-Spitzenpersonal reißt in der europäischen Politik tiefe Gräben. In der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) herrscht helle Empörung, dass der Deutsche Manfred Weber nun doch nicht Präsident der EU-Kommission als Nachfolger von Jean-Claude Juncker wird.
Der Chef der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary, nannte es am Sonntag einen „Skandal“, dass Sozialdemokraten und Liberale in Zusammenarbeit mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Weber als Spitzenkandidaten „demontiert“hätten, obwohl die EVP die Europawahl gewonnen habe. Im Deutschlandfunk drohte Caspary zugleich mit inhaltlichen Nachforderungen: Sollte die EVP im Parlament tatsächlich einen anderen Kandidaten ins Präsidentenamt mitwählen, werde das „für die andere Seite teuer werden“. In Berlin sagte Tilman Kuban, Chef der Jungen Union, jeder andere Kommissionspräsident als Weber sei ein Zeichen gegen einen starken Parlamentarismus in Europa. CSU-Vize Weber war am Wochenende vorzeitig aus dem Rennen um den EU-Topjob genommen worden, weil weder im Parlament noch im Rat der Regierungschefs eine Mehrheit für ihn in Sicht war. Am Rande des G20-Gipfels in Osaka hatten sich Kanzlerin Angela Merkel, weitere maßgebliche EU-Regierungschefs und Ratspräsident Donald Tusk auf ein anderes Personaltableau verständigt, das am Sonntagabend bei einem EU-Sondergipfel in Brüssel beraten werden sollte: Danach sollte der Spitzenkandidat der zweitplatzierten Sozialdemokraten, der Niederländer Frans Timmermans, die Kommission leiten und neuer „Mr.Europa“werden. Weber würde nach diesem Plan Präsident des Europaparlaments, doch galt es auch als Option, dass der 46-Jährige als Erster Vizepräsident der Kommission ein herausgehobenes Amt bekommt.
Für die Kanzlerin würde das Personalpaket auf elegante Weise einen Umbau des Kabinetts ermöglichen: Wird Weber Parlamentspräsident, müsste Berlin einen anderen Kandidaten für den Posten des deutschen EUKommissars vorschlagen. Als Bewerber gehandelt werden die CDU-Minister Peter Altmaier (Wirtschaft) und Ursula von der Leyen (Verteidigung). Altmaier ist seit 25 Jahren beurlaubter EU-Beamter, von der Leyen ist in Brüssel geboren.