Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Die alte Dame kriegt Besuch
Bei Union jaulen sie schon auf, wenn es demnächst gleich zum Saisonstart gegen RB Leipzig geht; für die Köpenicker Traditionalisten sind die roten Bullen die Inkarnation des kapitalistischen Fußballgeschäfts. Dabei hat selbiges die Stadt ja schon erreicht. Drei Ecken weiter in Charlottenburg steigt Lars Windhorst beim lokalen Rivalen Hertha BSC ein.
Jener Lebenskünstler, den Helmut Kohl einst als Wunderkind der deutschen Wirtschaft pries und der nach Pleiten und privaten Insolvenzen immer wieder zurückkam. Ein Menschenfänger und Monetensammler. Einer, der Unternehmen und Beteiligungen kauft und verkauft. Einst fand er Garri Kasparow, den Schach-Weltmeister, als passenden Werbebotschafter; nun soll es zur Abwechslung Fußball sein.
Auf den ersten Blick wirkt die Kooperation ja reichlich schräg. Hier der schillernde, mythenumwehte Self-made-Mann, dort der immer etwas betulich wirkende Verein, der nicht so recht vom Fleck kommt. Aber immerhin: Hertha ist Hauptstadtklub. Die bemühten Superlative klingen dennoch verwegen. Erst einmal sind es nur 125 Millionen, da werden andernorts mit einem einzigen Spielerverkauf größere Umsätze generiert. Und: Mit derzeit 37,5 Prozent Teilhabe kann der neue Mann aus der Tiefe des Investorenraumes (zum Glück) vorerst keine forschen Alleingänge starten.
Profisport, erst recht der Fußball, wird seit jeher von kommerziellen Interessen getrieben. Man denke an die Beträge, die für die Fernseh-Übertragungsrechte ausgegeben werden. Erst recht funktioniert das Geschäft zunehmend global. Nicht nur die Bayern blicken voller Begehr auf den chinesischen Markt. Für Romantik bleibt da kaum noch Platz. Zumal die Romantiker spätestens ab ChampionsLeague-Viertelfinale gern sehnsüchtig nach England schauen, wo die richtigen Stars spielen. Wo aber eben auch mehr Geld umgesetzt wird. Wo Heuschrecken die Wirtschaft heimsuchen, Immobilienhaie auch in Berlin mit Wohnungen spekulieren, kann ein Finanzjongleur im Fußballgeschäft nun wirklich nicht überraschen. Nicht einmal bei einer alten Dame namens Hertha.