Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Glück ohne Vertrag
Seit 1989 trainiert Ingo Kahlisch den Regionalligisten Rathenow, eine einsame Bestmarke in den oberen Ligen des Landes
Rathenow. Es ist ein seltenes Jubiläum im Fußball – und das an der Schwelle zwischen Amateurund Profi-Bereich: Heute wird Ingo Kahlisch genau 30 Jahre als Cheftrainer des Fußball-Regionalligisten FSV Optik Rathenow amtieren. Ob er das auch feiern wird, lässt Kahlisch offen. „Es ist nichts geplant, weil ich auch gar keine Zeit habe. Es ist Saisonvorbereitung, da ist genug zu tun“, sagt der 62-Jährige. Gerade erst hat Rathenow mit Verspätung die Klasse gehalten, weil sich Neugersdorf zurückgezogen hat. „Dass wir Regionalliga spielen, ist einfach eine totale Sensation, das ist für uns die Champions League“, sagt Kahlisch über seinen „Amateurfußballsportverein“.
1989 begann Kahlischs Vertrag bei den Optischen Werken, aber er wurde als technischer Leiter für den Bezirksligisten Motor Rathenow freigestellt – und ein halbes Jahr später Trainer. Er führte Rathenow nach der Wende mit bescheidenen Mitteln bis in die drittklassige Regionalliga. „Ich hatte ein, zwei Möglichkeiten, mich zu verändern, aber die kamen sehr kurzfristig“, erzählt Kahlisch von Angeboten aus Babelsberg, Berlin und Cottbus. Also blieb er. Und baute ein Lebenswerk auf.
Spieler- und Sponsorenakquise, Testspiele und Trainingslager. Um all das kümmert sich in Rathenow längst Kahlisch, der sich selbst als „Mädchen für alles“bezeichnet. In seiner Marketingfirma mit Sportshop, in der er tagsüber arbeitet, läuft alles zusammen: Hier hat er bereits 14 Spieler ausgebildet, zugleich ist es die Geschäftsstelle. In Rathenow gibt es lediglich Aufwandsentschädigungen und Amateurverträge – und eben zusätzlich eine berufliche Perspektive. Die letzten zehn Jahre waren mit die erfolgreichsten. Zwei Mal gewann Rathenow den Brandenburger Landespokal und qualifizierte sich für den DFB-Pokal, drei Mal stieg Optik in die Regionalliga auf.
Einen Vertrag besitzt der 62jährige Fußballlehrer laut eigener Aussage nicht. Im Vorstand würde man sich stets per Handschlag einigen. Und das könnte, wenn es nach Kahlisch geht, noch einige Zeit weiter gehen. Vor fünf Jahren stand er sieben Wochen nach einer Hirnblutung wieder auf dem Trainingsplatz: „Da haben mir der Sport und die Jungs geholfen“, sagt Kahlisch. (dpa)