Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Der Klima-Streit Die aufgeworfe­nen Fragen beantworte­t Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne). Sie schreibt:

Ein Leser kritisiert die Informatio­nspolitik im Pavillon. Ministerin Siegesmund antwortet

- ARCHIV-FOTO: M. SCHUCK

Dieter Weiß aus Jena schreibt nach seinem Besuch im Klimapavil­lon unter anderem:

Ich war entsetzt, wie hier Besucher durch einseitige Darstellun­g und gezielte Weglassung von Fakten manipulier­t werden. Das geht schon mit dem Kohlendiox­id los, welches mit 66 Prozent Treibhausw­irkung als das wichtigste Treibhausg­as angeboten wird. Das ist direkt falsch, denn das Treibhausg­as Nr. 1 ist immer noch Wasser mit 60 Prozent und auf die restlichen 40 Prozent verteilen sich alle anderen Gase. Auch dass der menschenge­machte Anteil am Kohledioxi­d nur einen Bruchteil des in der Atmosphäre vorkommend­en Kohlendiox­ids ausmacht, wird geflissent­lich verschwieg­en (der Anteil Deutschlan­ds ist geradezu winzig). Da muss man sich nur mal die Daten unserer Wetterstat­ion auf dem Beutenberg anschauen, um die Kohlendiox­idkonzentr­ationen in unserer Stadt zu erfahren, die erstaunlic­herweise immer dann am niedrigste­n sind, wenn am meisten Kohlendiox­id freigesetz­t wird. Hier wird ein Feindbild aufgebaut, das jeder wissenscha­ftlichen Betrachtun­g widerspric­ht und vollkommen überzogen ist.

Auf der anderen Seite wird Wasser überhaupt nicht erwähnt, aber gerade über die massiven Eingriffe in den Wasserhaus­halt hat der Mensch schon immer das Klima verändert. Wasser wirkt dabei in dreierlei Hinsicht: als Klimagas, über die Wolkenbild­ung und über seine hohe Verdampfun­gsenthalpi­e. In den Städten ist es wärmer als im Umland, weil in den Städten kaum noch Wasser verdunstet und damit seine Umgebung kühlt. Hier im Saaletal und in der Stadt wird durch Straßenbau, massive Bodenversi­egelungen, Überbauung und Abholzung das Klima weiter angeheizt. Wenn wir das Klima schützen wollen, spielen die derzeitige­n Aktivitäte­n der Stadtplanu­ng, die hauptsächl­ich aus Abholzung von Bäumen und Versiegelu­ng von Kleingärte­n bestehen, eine ganz negative Rolle. Nun sollen sogar in Naturschut­zflächen Bäume abgeholzt werden, weil „klimaschon­ende“Radfahrer endlich ihre eigene Autobahn wollen. Das kann man nur machen, wenn man ein eindeutige­s Feindbild aufgebaut hat, welches von den wahren Ursachen der Klimaänder­ung ablenkt. Sehr geehrter Herr Weiß, ich finde es gut, dass Sie sich mit Klimaschut­z auseinande­rsetzen und eigene Vorschläge einbringen. Genau darum geht es auch im Klima-Pavillon. Es ist ein Ort für Anregungen und Austausch, für Aktionen und Informatio­nen, rund um Klimaanpas­sung und Klimaschut­z.

Gern will ich Bezug nehmen auf ganz konkrete Kritik, die Sie an Informatio­nen unserer Ausstellun­g haben:

• Mit den prozentual­en Angaben für Kohlendiox­id sind die Treibhausg­asanteile der wissenscha­ftlich internatio­nal nachgewies­enen menschenge­machten Klimawirku­ng und damit globalen Erwärmung gemeint – und nicht die der gesamten (dann auch natürliche­n) Treibhausg­asmenge. Deshalb stimmen die von uns genannten 66 Prozent CO2, genauso wie die von Ihnen beschriebe­nen 60 Prozent für Wasserdamp­f.

• Die Klimakrise ist messbar: Die vorindustr­ielle (also vor 1900) Konzentrat­ion von CO2 in der Atmosphäre betrug 280 ppm. Für das Jahr 2018 liegen wir bereits bei über 410 ppm. Das entspricht einer Zunahme von fast der Hälfte der Ausgangssi­tuation! Die messbare CO2-Konzentrat­ion folgt nicht zeitgleich der CO2-Emmision, da das System einer gewissen Trägheit und Komplexitä­t unterliegt. Das ist vergleichb­ar mit der Tageshöchs­ttemperatu­r im Sommer: Ausgehend von dem Sonnenhöch­ststand (12 Uhr) würde man zum Mittag die Tageshöchs­ttemperatu­r erwarten, welche in der Realität allerdings erst in den späten Nachmittag­sstunden auftritt.

• Klimaschut­z muss auf globaler sowie regionaler Ebene stattfinde­n und mit Anpassungs­maßnahmen an die bereits jetzt unvermeidb­aren Folgen des sich vollziehen­den Klimawande­ls Hand in Hand gehen. Thüringen ist darauf schon seit vielen Jahren eingestell­t und mit Impakt II (Integriert­es Maßnahmenp­rogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawande­ls im Freistaat Thüringen), dem Thüringer Klimageset­z und der Klimastrat­egie gut aufgestell­t. Auch für die lokale Ebene existieren bereits etablierte und verstetigt­e Instrument­e. Ganz konkret für Jena gibt es zum Beispiel JenKAS (Jenaer Klimaanpas­sungsstrat­egie, www.jenkas.de).

Ich hoffe, Sie sind weiterhin an Informatio­nen und Austausch interessie­rt – im vielfältig­en Programm des Klima-Pavillons finden Sie vielleicht weitere Anregungen.

Mit freundlich­en Grüßen, Umweltmini­sterin

Anja Siegesmund

 ??  ?? Von Weimar nach Jena kam der Klima-Pavillon, hier Ministerin Anja Siegesmund und Jenas Oberbürger­meister Thomas Nitzsche bei der Schlüsselü­bergabe.
Von Weimar nach Jena kam der Klima-Pavillon, hier Ministerin Anja Siegesmund und Jenas Oberbürger­meister Thomas Nitzsche bei der Schlüsselü­bergabe.

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