Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Streit über Tierwohl-Label
Agrarministerin Julia Klöckner bringt Gesetzentwurf auf den Weg. Bauernverband spricht von Offenbarungseid
Berlin. Das Ziel ist klar: Nutztiere in Deutschland sollen während der Aufzucht ein besseres Leben bekommen. Damit jeder Verbraucher schon beim Fleischkauf auf den ersten Blick erkennt, unter welchen Bedingungen ein Tier groß geworden ist, arbeitet die große Koalition bereits seit Jahren an einem staatlichen Tierwohlkennzeichen für Lebensmittel.
Hat die Kuh eine Wiese gesehen oder ist sie im Stall groß geworden? Wie viel Auslauf hatte das Schwein, wie wurde es zur Schlachtbank geführt? Nun hat die Bundesregierung einen 44seitigen Gesetzentwurf zur Einführung eines solchen Labels auf den Weg gebracht, der unserer Redaktion vorliegt. Der Entwurf befindet sich in der Ressortabstimmung. Angestrebt wird, dass das Gesetz Anfang 2020 in Kraft tritt.
Der Gesetzentwurf steckt zunächst nur die grundlegenden Anforderungen zur Haltung, dem Transport und zur Schlachtung von Tieren fest, aus denen Lebensmittel gewonnen werden. Alle Kriterien müssen über den aktuellen gesetzlich geltenden Mindestanforderungen des Tierschutzes liegen.
Dazu zählen unter anderem Bestimmungen zur Ernährung, Käfighaltung, Bewegungsfreiheit, aber auch zu den Gemeinschaftsbedürfnissen von Tieren oder den Lichtverhältnissen in Ställen. Die Fütterung und Pflege von Tieren sollen im Rahmen der Tierwohlkennzeichnung überwacht werden können – und die Ergebnisse sollen auf Verlangen von Kontrolleuren vorgelegt werden. Aber auch Sicherheitsvorkehrungen für den Fall technischer Störungen oder bei einem Brand im Stall sind einzuhalten. Im Fokus stehen zudem konkrete Anforderungen an Betäubungsverfahren und Transportbedingungen.
Die konkreten Details müssen nun noch vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in einer gesonderten Rechtsverordnung festgelegt werden, die ebenfalls in Arbeit ist. Und zwar soll dies „im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“erfolgen. Eine Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich. Die Abstimmung mit dem Umweltministerium stößt vor allem beim Deutschen Bauernverband auf starke Kritik und Ablehnung: „Ich halte von dem Entwurf nichts! Was in dem Gesetzentwurf für das Tierwohllabel steht, kommt einem Offenbarungseid des Bundeslandwirtschaftsministeriums gleich“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied unserer Redaktion. „Das Bundeslandwirtschaftsministerium gibt originäre Kompetenzen an das Bundesumweltministerium ab“, bemängelt Rukwied. „Wenn solche Vorgaben nur noch im Einvernehmen mit dem Umweltministerium festgelegt werden können, das keine Kernkompetenzen in Bereichen wie Tierernährung besitzt, dann habe ich große Zweifel am Erfolg des Tierwohllabels in der Praxis“, so Rukwied.
Der Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums, Hermann Onko Aeikens, reagierte „verwundert über Ton und Sprache“Rukwieds. „Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht vor, dass Gesetze und Verordnungen zwischen den Ressorts abgestimmt werden, bevor sie das weitere Verfahren durchlaufen“, sagte Aeikens. „Das Tierwohlkennzeichen-Gesetz soll auch dazu dienen, das Image der Landwirtschaft zu verbessern. Dazu tragen derartige Einlassungen sicher nicht bei.“
Bislang fehlen noch detaillierte Anforderungen, wie das Tierwohllabel definiert wird. So sucht man in dem Entwurf Angaben zur Einteilung des Tierschutzlabels nach verschiedenen
Wer das Label nutzt, muss Vorgaben erfüllen
Kategorien vergeblich. Bislang waren drei Stufen zunächst für Schweinefleisch im Gespräch, die über den bisherigen Standards liegen, wie dies von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vorgestellt wurde. Auch werden in dem Entwurf noch keine Stallgrößen definiert oder Beschränkungen beim Kupieren von Schwänzen festgelegt. Fest steht aber, dass Missbrauch bestraft werden soll. Wer mit dem Label Lebensmittel kennzeichnet, die nicht nach den vorgeschriebenen Anforderungen hergestellt wurden, wird mit einer „Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe“bestraft, heißt es im Entwurf.
Das einheitliche Tierwohllabel soll den Verbrauchern vor allem beim Einkauf mehr Transparenz bieten, inwieweit Tierschutzstandards eingehalten wurden. Tiere sollen artgerechtere Lebensbedingungen erhalten und Tierhalter Anreize, sich mehr fürs Tierwohl zu engagieren, heißt es in der Begründung. Bauern bekämen wiederum durch das Tierwohllabel bessere Vermarktungschancen für ihre Produkte. Denn nach Umfragen sind Verbraucher bereit, mehr für Fleisch zu bezahlen, das aus artgerechterer Haltung stammt. Die Verwendung des Tierwohllabels ist freiwillig.
Bislang gibt es mehrere Initiativen zur Fleischkennzeichnung im Handel, die auf Kriterien beruhen, welche von der Wirtschaft festgelegt wurden. So setzt der Bauernverband auf seine Initiative Tierwohl, die mit dem Lebensmitteleinzelhandel gestartet wurde. „Jedes vierte Mastschwein wird bereits in den Ställen nach diesen Bedingungen großgezogen“, sagt Rukwied. Doch die Vielfalt der Labels sorgt auch für Unübersichtlichkeit und damit für Verunsicherung der Verbraucher. Die Regierung will sich deshalb EUweit für ein verpflichtendes Tierwohlkennzeichen einsetzen.