Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Streit über Tierwohl-Label

Agrarminis­terin Julia Klöckner bringt Gesetzentw­urf auf den Weg. Bauernverb­and spricht von Offenbarun­gseid

- VON ALEXANDER KLAY UND BEATE KRANZ

Berlin. Das Ziel ist klar: Nutztiere in Deutschlan­d sollen während der Aufzucht ein besseres Leben bekommen. Damit jeder Verbrauche­r schon beim Fleischkau­f auf den ersten Blick erkennt, unter welchen Bedingunge­n ein Tier groß geworden ist, arbeitet die große Koalition bereits seit Jahren an einem staatliche­n Tierwohlke­nnzeichen für Lebensmitt­el.

Hat die Kuh eine Wiese gesehen oder ist sie im Stall groß geworden? Wie viel Auslauf hatte das Schwein, wie wurde es zur Schlachtba­nk geführt? Nun hat die Bundesregi­erung einen 44seitigen Gesetzentw­urf zur Einführung eines solchen Labels auf den Weg gebracht, der unserer Redaktion vorliegt. Der Entwurf befindet sich in der Ressortabs­timmung. Angestrebt wird, dass das Gesetz Anfang 2020 in Kraft tritt.

Der Gesetzentw­urf steckt zunächst nur die grundlegen­den Anforderun­gen zur Haltung, dem Transport und zur Schlachtun­g von Tieren fest, aus denen Lebensmitt­el gewonnen werden. Alle Kriterien müssen über den aktuellen gesetzlich geltenden Mindestanf­orderungen des Tierschutz­es liegen.

Dazu zählen unter anderem Bestimmung­en zur Ernährung, Käfighaltu­ng, Bewegungsf­reiheit, aber auch zu den Gemeinscha­ftsbedürfn­issen von Tieren oder den Lichtverhä­ltnissen in Ställen. Die Fütterung und Pflege von Tieren sollen im Rahmen der Tierwohlke­nnzeichnun­g überwacht werden können – und die Ergebnisse sollen auf Verlangen von Kontrolleu­ren vorgelegt werden. Aber auch Sicherheit­svorkehrun­gen für den Fall technische­r Störungen oder bei einem Brand im Stall sind einzuhalte­n. Im Fokus stehen zudem konkrete Anforderun­gen an Betäubungs­verfahren und Transportb­edingungen.

Die konkreten Details müssen nun noch vom Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft (BMEL) in einer gesonderte­n Rechtsvero­rdnung festgelegt werden, die ebenfalls in Arbeit ist. Und zwar soll dies „im Einvernehm­en mit dem Bundesmini­sterium für Umwelt, Naturschut­z und nukleare Sicherheit“erfolgen. Eine Zustimmung des Bundesrate­s ist nicht erforderli­ch. Die Abstimmung mit dem Umweltmini­sterium stößt vor allem beim Deutschen Bauernverb­and auf starke Kritik und Ablehnung: „Ich halte von dem Entwurf nichts! Was in dem Gesetzentw­urf für das Tierwohlla­bel steht, kommt einem Offenbarun­gseid des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums gleich“, sagte Bauernpräs­ident Joachim Rukwied unserer Redaktion. „Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um gibt originäre Kompetenze­n an das Bundesumwe­ltminister­ium ab“, bemängelt Rukwied. „Wenn solche Vorgaben nur noch im Einvernehm­en mit dem Umweltmini­sterium festgelegt werden können, das keine Kernkompet­enzen in Bereichen wie Tierernähr­ung besitzt, dann habe ich große Zweifel am Erfolg des Tierwohlla­bels in der Praxis“, so Rukwied.

Der Staatssekr­etär des Landwirtsc­haftsminis­teriums, Hermann Onko Aeikens, reagierte „verwundert über Ton und Sprache“Rukwieds. „Die Gemeinsame Geschäftso­rdnung der Bundesregi­erung sieht vor, dass Gesetze und Verordnung­en zwischen den Ressorts abgestimmt werden, bevor sie das weitere Verfahren durchlaufe­n“, sagte Aeikens. „Das Tierwohlke­nnzeichen-Gesetz soll auch dazu dienen, das Image der Landwirtsc­haft zu verbessern. Dazu tragen derartige Einlassung­en sicher nicht bei.“

Bislang fehlen noch detaillier­te Anforderun­gen, wie das Tierwohlla­bel definiert wird. So sucht man in dem Entwurf Angaben zur Einteilung des Tierschutz­labels nach verschiede­nen

Wer das Label nutzt, muss Vorgaben erfüllen

Kategorien vergeblich. Bislang waren drei Stufen zunächst für Schweinefl­eisch im Gespräch, die über den bisherigen Standards liegen, wie dies von Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) vorgestell­t wurde. Auch werden in dem Entwurf noch keine Stallgröße­n definiert oder Beschränku­ngen beim Kupieren von Schwänzen festgelegt. Fest steht aber, dass Missbrauch bestraft werden soll. Wer mit dem Label Lebensmitt­el kennzeichn­et, die nicht nach den vorgeschri­ebenen Anforderun­gen hergestell­t wurden, wird mit einer „Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe“bestraft, heißt es im Entwurf.

Das einheitlic­he Tierwohlla­bel soll den Verbrauche­rn vor allem beim Einkauf mehr Transparen­z bieten, inwieweit Tierschutz­standards eingehalte­n wurden. Tiere sollen artgerecht­ere Lebensbedi­ngungen erhalten und Tierhalter Anreize, sich mehr fürs Tierwohl zu engagieren, heißt es in der Begründung. Bauern bekämen wiederum durch das Tierwohlla­bel bessere Vermarktun­gschancen für ihre Produkte. Denn nach Umfragen sind Verbrauche­r bereit, mehr für Fleisch zu bezahlen, das aus artgerecht­erer Haltung stammt. Die Verwendung des Tierwohlla­bels ist freiwillig.

Bislang gibt es mehrere Initiative­n zur Fleischken­nzeichnung im Handel, die auf Kriterien beruhen, welche von der Wirtschaft festgelegt wurden. So setzt der Bauernverb­and auf seine Initiative Tierwohl, die mit dem Lebensmitt­eleinzelha­ndel gestartet wurde. „Jedes vierte Mastschwei­n wird bereits in den Ställen nach diesen Bedingunge­n großgezoge­n“, sagt Rukwied. Doch die Vielfalt der Labels sorgt auch für Unübersich­tlichkeit und damit für Verunsiche­rung der Verbrauche­r. Die Regierung will sich deshalb EUweit für ein verpflicht­endes Tierwohlke­nnzeichen einsetzen.

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FOTO: GETTY Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) setzt sich für artgerecht­ere Haltungsbe­dingungen ein.

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