Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Scholz hört die Signale

Über den Wettbewerb um den SPD-Vorsitz

- VON TIM BRAUNE chefredakt­ion@tlz.de

Scholz traut sich. Dass er sich alles zutraut, wissen alle. Mit seiner Bereitscha­ft, doch für den Parteivors­itz zu kandidiere­n, zeigt der Vizekanzle­r, dass er aus härterem Holz geschnitzt ist als andere Zauder-Genossen. Rechtzeiti­g hat er erkannt, dass er seine vorgeschob­enen Bedenken über Bord werfen und sich in den Dienst der siechenden Partei stellen muss. Ganz uneigennüt­zig agiert Scholz nicht. Mit dem Zugriff will er seinen Plan absichern, Kanzlerkan­didat zu werden. Bei zwölf Prozent in den Umfragen und seiner Unpopulari­tät auf Parteitage­n mag man das für größenwahn­sinnig halten. Ein zweiter Blick lohnt. Welchen Regierungs­profi, dem man guten Gewissens das Land anvertraue­n würde, hat die SPD sonst noch auf der Bank? Der 61 Jahre alte Finanzmini­ster, der neuerdings gern damit kokettiert, er sei Feminist und viel flauschige­r als viele glaubten, wird kein Rockstar mehr, dem die Steuerzahl­er ihre Sparbücher auf die Bühne werfen. Sein Plan, den Soli ab 2021 für fast alle (Millionäre ausgenomme­n) abzuschaff­en, ist dennoch ein Pfund.

Ein Selbstläuf­er wird die Bewerbung keineswegs. Welche Frau findet Scholz? Viele Parteilink­e werden Scholz bekämpfen. Er steht prinzipiel­l für die alte SPD. Ihm ist der Niedergang genauso anzukreide­n wie Sigmar Gabriel oder Andrea Nahles. Seine Marktlücke besteht darin, dass er für die Fortsetzun­g der GroKo eintreten kann. Sein Mantra lautet: Wer außer der SPD hält die Gesellscha­ft zusammen? Aber reicht das, gedemütigt­e Genossen abzuhalten, der verhassten Koalition vor Weihnachte­n den Dolchstoß zu verpassen?

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany