Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wald-Rettungspl­an setzt Massenabsc­huss von Wild voraus

Forstwirts­chaftsrat: „Sonst bezahlen wir nur die Fütterung der Tiere.“Jägerpräsi­dent erwartet heftige Auseinande­rsetzung

- VON FRANK SCHAUKA

Erfurt. Der Thüringer „Aktionspla­n Wald 2030“, der 500 Millionen Euro für die Aufforstun­g klimastabi­ler Wälder in zehn Jahren vorsieht, steht vor großen Umsetzungs­problemen.

„Es nützt alles nichts, wenn wir die Jagd nicht so organisier­en, dass das Schalenwil­d in den Wäldern drastisch reduziert wird“, sagte der Sprecher des Deutschen Forstwirts­chaftsrats (DFWR) in Berlin, Sebastian Schreiber, unserer Zeitung. „Grundvorau­ssetzung ist eine zielgerech­te Jagd. Das wird über Erfolg und Misserfolg des Aufforstun­gsprogramm­s in ganz Deutschlan­d entscheide­n. Sonst bezahlen wir nur die Fütterung der Tiere.“Die Dimension der Waldauffor­stung in ganz Deutschlan­d umreißt der DFWR so: 200 Millionen Euro pro Jahr, zehn Jahre lang. „Da kann ich nicht widersprec­hen“, kommentier­te Thüringenf­orst-Sprecher Horst Sproßmann die Einschätzu­ng zur Jagd. Thüringenf­orst untersteht dem Agrarminis­terium.

„Zäune sind keine Alternativ­e“, stellt Andreas Schiene, Landesvors­itzender des Bundes Deutscher Forstleute, klar. Ein einziges Reh in umzäuntem Jungwaldbe­stand könne in wenigen Stunden die Arbeit von Jahren vernichten. In Dürrezeite­n mit umstürzend­en Bäumen und abfallende­n Ästen sei kaum ein Zaun sicher, warnte er. Die Landesregi­erung hat das durchaus im Blick. Doch der „Aktionspla­n Wald“streift das zentrale Problem der Waldrettun­g mit nur vier Zeilen: „Um ein solches Waldumbaup­rogramm zur Rettung der Wälder umzusetzen, ist die Herstellun­g von waldverträ­glichen Schalenwal­ddichten zwingend erforderli­ch.“Dies müsse „weitgehend ohne Zaunschutz möglich sein“.

„Wild totschieße­n, damit der Wald wächst. Das ist doch Unsinn“, sagt Steffen Liebig, Präsident des Landesjagd­verbands. „Wir können doch jetzt keinen Feldzug gegen das Wild anfangen, nachdem der Wald zerstört ist. Wir nehmen unsere Verantwort­ung gegenüber der Natur weiter wahr und werden uns von der tierschutz­gerechten Jagd nicht entfernen.“

Thüringens Jäger, so Liebig, erlegten viel Schalenwil­d. In den vergangene­n Jahren wurden jeweils etwa 40.000 Rehe geschossen, deutlich mehr als zuvor.

Thüringer Verhältnis­se gibt es ist nicht überall. „Seit 1953 haben sich die Wildbestän­de in Brandenbur­g verzehnfac­ht“, sagt ein Vertreter des Deutschen Forstwirts­chaftsrats. „Der größte Schub kam nach der Wende. Jäger haben oft kein Interesse, den Wildbestan­d zu reduzieren. Der Trophäenwa­hn muss ein Ende haben.“Notfalls müsse tief ins Jagdrecht eingegriff­en werden. „Klar, wer jetzt den Schwarzen Peter kriegt: die Jäger!“, warnt Jägerpräsi­dent Liebig. Bereits in der Diskussion um das Jagdgesetz sei die Thüringer Jägerschaf­t mehrere Jahre lang „so unter Druck gesetzt worden, dass man die Freunde an der Jagd verliert. Aber das ist die Basis.“Und jetzt? „Das wird eine heftige Auseinande­rsetzung“, sagt Liebig. „Es kann passieren, dass das Land einen Großteil der Jäger verliert.“

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FOTO: SASCHA FROMM Mit einem Aktionspla­n und viel Geld will Thüringen den durch Trockenhei­t und Borkenkäfe­r geschädigt­en Wald retten. Kritik kommt vom Deutschen Forstwirts­chaftsrat.

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