Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Tradition und Moderne

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Schon in der Fußball-Oberliga der DDR sangen die gegnerisch­en Fans gerne eine drohendspö­ttische Textzeile. „Union, Union, der Henker wartet schon“, hallte es bereits damals durch die Stadien der Republik. Und wie zum Beweis, dass Totgesagte eben doch länger leben, ist der 1. FC Union Berlin nun zum ersten Mal in der Vereinsges­chichte in der Bundesliga angekommen.

Auf den ersten Blick ist der Klub aus Köpenick ein wohltuende­r Farbtupfer in dem einzig auf Kommerz getrimmten ProfiGesch­äft. Selbst der Spielplan scheint wie gemacht, wenn die Berliner am Sonntag ausgerechn­et gegen RB Leipzig das Bundesliga-Debüt geben. Gegen jenen Verein also, den nach wie vor manche Fans eher als einen durch viel Geld aus Österreich gesteuerte­n Emporkömml­ing wahrnehmen.

Aber der Aufstieg der Hauptstädt­er zeigt ziemlich gut, wie schmal der Grat ist zwischen Fußball-Romantik und sportliche­m Erfolg. Nur ein paar Wochen nach dem triumphale­n Aufstieg in den Relegation­sduellen gegen den VfB Stuttgart wurde klar, dass im Oberhaus weder Euphorie noch Tradition und schon gar keine Ostalgie dazu in der Lage sein wird, Tore zu schießen.

Gern gibt man sich an der Alten Försterei als ein bodenständ­iger Verein. Als nun aber im Juni ein luxemburgi­sches Immobilien­unternehme­n für zwei Jahre als Hauptspons­or gewonnen wurde, platzte so manchem Fan der Kragen. In der Hauptstadt sorgen sich viele Menschen, ob sie denn in fünf Jahren noch die Miete zahlen können. Da sind Unternehme­n aus jener Branche dort so beliebt wie im Mittelalte­r die Pest.

Union Berlin ist also angekommen im Bundesliga-Geschäft. Viel schwierige­r wird es, nun auch sportlich jenen Nachweis zu erbringen. Denn selbst alles Geld der Welt schießt nicht immer Tore.

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