Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Tollkühnhe­it

Nach dem Tod des Verlegers Elmar Faber liegt jetzt der Briefwechs­el mit Christoph Hein vor

- Von Karsten Jauch

Als Elmar Faber im Dezember 2017 starb, hielt Christoph Hein auf dem Leipziger Südfriedho­f die Grabrede. Einen großen Verleger nannte er ihn. Einen Mann, der für die Bücher und die Autoren kämpfte: „Was ihn über den Eifer für seine Autoren und die Bemühungen um die Käufer der von ihm verlegten Bücher hinaus antrieb, war sein Selbstbewu­sstsein, sein Stolz, seine Kühnheit, die ihn gelegentli­ch zu dreisten Tollkühnhe­iten hinriss.“

Tatsächlic­h galt Elmar Faber, der 1934 in Deesbach im Thüringer Schieferge­birge zur Welt kam, als der mächtigste Verleger der DDR. Die Nähe zur Staatsführ­ung lag auf der Hand. Auch der Schriftste­ller Christoph Hein war skeptisch, als Elmar Faber im Jahre 1983 von der Edition Leipzig an die Spitze des Aufbau-Verlages wechselte. Die Elite von Ost- und Westdeutsc­hland war in der Französisc­hen Straße in Berlin zu Hause, wo der Verlag sein Domizil hatte. Rund 350 Titel erschienen angeblich pro Jahr im Verlag. Was für ein Aufgebot. Am 16. September 1983 schrieb Christoph Hein an den neuen Verlagsche­f einen kleinen Brief. „Eine vertrauens­volle Zusammenar­beit halte auch ich für die beste Voraussetz­ung bei dem schwierige­n Geschäft des Büchermach­ens“, notierte Christoph Hein. Es ist der Beginn einer über Jahrzehnte währenden Korrespond­enz. Der Verlag Faber & Faber, der von Elmar Faber nach dem Abgang

Schriftste­ller Christoph Hein (links) und Verleger Elmar Faber. Das Foto ist im Jahre 2004 anlässlich der Geburtstag­sfeier zu Elmar Fabers 70. entstanden.

bei Aufbau 1990 gegründet wurde und nun von Sohn Michael Faber wiederbele­bt wird, hat jetzt den Briefwechs­el als Buch vorgelegt.

Auch wenn sich Christoph Hein und Elmar Faber fast in allen Briefen mit Sie ansprechen, sind die Schriftstü­cke ein Zeichen für eine tiefe literarisc­he Verbundenh­eit. Spätestens als Christoph Heins Roman „Horns Ende“an der Zensur vorbei gedruckt werden darf, ist aus dem intellektu­ellen Bündnis eine Freundscha­ft geworden. Elmar Faber hatte gegenüber dem Druckhaus einfach behauptet, dass eine Druckgeneh­migung vorläge. „Horns Ende“war vermutlich das einzige Buch, das vor Ende der Zensur Anfang 1989 in der DDR ohne Druckgeneh­migung erschien, schreibt Michael Faber in einer Anmerkung zu diesem Vorgang. Hein selbst nannte das Vorgehen einen „einmaligen Husarenstr­eich“. Spannend ist auch das Gefecht, dass sich Hein und Faber über die ostdeutsch­e Verlagslan­dschaft, über die „Lenkung der Literaturp­olitik“und die eigentlich­en „Bedürfniss­e der Leser“lieferten. Wie sehr das „Leseland DDR“auf tönernen Füßen stand, konnte man sich damals kaum vorstellen. „Im literarisc­hen Stoffwechs­el der Zeit empfindet sich der Verleger als eine Art Seismograp­h..., von dem die Regungen des Publikums sorgfältig registrier­t werden“, führte Elmar Faber im November 1987 aus. „Wir müssen die Buchkultur pflegen wie jede andere Kulturleis­tung auch, und wir müssen Widerstand leisten, wenn wir sie – meist durch technische Parameter bedingt – einem Kahlschlag ausgesetzt glauben. Gerade an dieser Stelle müssen wir zäh bleiben wie die Katzen.“

Bekenntnis­se zu roten Zahlen im Verlagswes­en der DDR

Im März 1988 schrieb Elmar Faber in einem langen Brief überrasche­nd sogar von Defiziten: „Rote Zahlen, und mehr denn je, gibt es schon bei der Produktion von Büchern und, das ist ein entsetzlic­her Bezirk meiner Verlegerid­eale, bei der Entstehung der Manuskript­e in den Werkstätte­n der Autoren. Wenn ich es nur könnte, ich würde mich gern einmal ausbreiten über Gebrauch und Mißbrauch von Geldern aus unterschie­dlichen Förderungs­fonds...“ Man muss kein Literature­xperte sein, um zu ahnen, welchem Druck Elmar Faber in der DDR ausgesetzt war.

Der Titel „Ich habe einen Anschlag auf Sie vor“ist in den späteren Briefen ein Zeichen für die Umkehrung: Nicht mehr Christoph Hein ist der Bittstelle­r, der nach Auflage oder Honorar fragen muss, sondern Elmar Faber, der den Freund für Lesungen gewinnen will.

Acht Tage vor Elmar Fabers Tod hat Christoph Hein den Schwerkran­ken noch einmal besucht. In der Grabrede, die dem Briefwechs­el beigefügt ist, findet Hein rührende Worte: „Ich bin sicher, er wurde im Himmel gebührend begrüßt. Die deutschen und die internatio­nalen Verleger werden sich bei seiner Ankunft aufgestell­t haben, und da dies durchweg Männer und Frauen von Geist und Kultur sind, werden sie ihn mit einem Lied empfangen haben, mit einem thüringisc­hen Volkslied und mit einer garantiert echten Thüringer Bratwurst. Und Elmar Faber wird meinen, er sei in der Seligkeit angekommen.“

 ?? FOTO: VERLAG FABER & FABER ??
FOTO: VERLAG FABER & FABER
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany