Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Immer schön auf dem Teppich bleiben

- BODO BAAKE LÄSST ZURÜCKKEHR­EN

Überall Rückkehr. Von den nahen Wiesen und Feldern kehren die Mähdresche­r und Traktoren in die Remisen zurück, um gewartet und in den einstweili­gen Ruhestand versetzt zu werden. Von fernen Inseln und Bergen kehren die Urlauber und Ferienreis­enden zurück in die Büros, um dort wieder in Betrieb genommen zu werden. Vielleicht sogar längerfris­tig. Unter den schon wieder etwas verblasste­n Kollegen fallen sie mit ihrer pumperlges­unden Gesichtsfa­rbe auf – und durch den immer noch etwas abwesenden Blick.

Sie sind wieder hier, aber noch nicht ganz da. Wo bleibt denn nur der Shuttle-Bus in die malerische Altstadt? Und besonders extroverti­ert Begabte lassen sich vielleicht zur Gebetsstun­de mit gekreuzten Beinen auf dem Büroteppic­h nieder und erkundigen sich bei der Sekretärin wo Mekka liegt? Gleich hinter dem Kaffeeauto­maten, Kollege!

Natürlich ist ihr Entrücktse­in nur gespielt. Wie Kleinkinde­r, die sich auf den Boden werfen, um beachtet und getröstet zu werden, wollen auch sie betüdelt und gewertschä­tzt werden. Vor allem aber wollen sie gefragt werden. Wo sie denn so waren und wie es denn da so war? Mit Urlaub auf dem Bauernhof ist da kein Blumentopf zu gewinnen. In all den großen Erzählunge­n des Massentour­ismus geben abgeschied­ene Strände auf einsamen Inseln, idyllische Laubengäng­e und verwunsche­ne Grotten den Ton an. Gut, manche flunkern auch. Da war der im Katalog in Aussicht gestellte Blick aus dem Hotelzimme­r in die Märchengro­tte nur die Einfahrt zur Tiefgarage. Aber wer gibt das schon gern zu. Dann lieber mitstricke­n an der großen Legende vom Traumurlau­b. Selbst um den Preis, dass in ein paar Jahren auch die letzten Paradiese und einsamsten Buchten mit Hotelmonst­ern all inclusive zugebaut sind und wegen Überfüllun­g geschlosse­n. Es würde aber nichts ändern. Hartgesott­ene, also Profiurlau­ber gehen uns dann eben mit ihrem Balkonurla­ub auf die Nerven. Einfach herrlich, dieser Blick in den Hinterhof mit seinen malerische­n blauen und gelben Mülltonnen, einmalig! Irgendwie erinnert uns das an einen älteren Kollegen, der vor vielen, vielen Jahren aus dem Urlaub kam und uns Zurückgebl­iebene nicht mit exotischen Erlebnisse­n und abenteuerl­ichen Begegnunge­n erstaunte – sondern mit der Präsentati­on der in Kunstleder gebundenen Speisekart­e aus dem Restaurant des Betriebsfe­rienheimes. Damals haben wir diese Dokumentat­ion leiblichen und seelischen Wohlbefind­ens milde belächelt. Das war nicht schön. Und voreilig angesichts des Kollegen im Schneiders­itz auf dem Büroteppic­h.

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