Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Verfahrensdauer oft übermäßig lang
Beispiel Familienrecht: Kinder und Eltern die Leidtragenden. Bisher keine Besserung der Zustände in Sicht
Martin Wiechers, Vorsitzender des Weimarer Anwaltvereins, schreibt zum Artikel „Schnelle Gerichtsverfahren in Thüringen nur punktuell“: Ihrem Artikel entnehme ich, dass das beschleunigte Verfahren nach Paragraf 417 Strafprozessordnung (StPO) nach Auffassung des Justizministerium geeignet sei, „einen wichtigen Beitrag zur zügigen Herstellung des Rechtsfriedens zu leisten…“.
Der Rechtsfrieden ist entgegen der Auffassung des Justizministeriums in erster Linie nicht durch eine partielle beschleunigte Aburteilung einer geringen Anzahl von Kleinkriminellen dauerhaft herzustellen, sondern vielmehr durch die Sicherstellung einer zeitlich angemessenen Dauer von Gerichtsverfahren im Allgemeinen und insbesondere in Rechtsgebieten, die breite Bevölkerungsteile betreffen können.
Dies ist in einer Vielzahl der Gerichtsverfahren nicht gewährleistet. So ist zum Beispiel am Amtsgericht Weimar im Bereich des Familienrechts bereits seit vielen Jahren eine überlange Verfahrensdauer Usus. Selbst bei gesetzlich verankerter Beschleunigungsmaxime für einzelne Verfahrensarten kommt es vor, dass über Unterhaltsansprüche von Minderjährigen auch nach drei Jahren erstinstanzlich noch nicht entschieden wird. Ähnlich verhält es sich mit Verfahren, die Streitigkeiten über die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht betreffen. Es ist auch schwer zu vermitteln, dass die übliche Verfahrensdauer einer nichtstreitigen Ehescheidung am Amtsgericht Weimar regelmäßig annähernd ein Jahr beträgt. Versuche des Weimarer Anwaltvereins in zahlreichen Gesprächen sowohl mit der Direktorin des Amtsgerichts Weimar als auch unter Einbeziehung des Thüringer Oberlandesgerichts, eine Besserung der Zustände herbeizuführen, blieben letztendlich ergebnislos.
Die überlange Verfahrensdauer sowie die angebliche Nichtabänderbarkeit der haltlosen Zustände wurde seitens der Vertreter des Gerichts im Wesentlichen mit dem dauerhaft hohen Krankenstand der Mitarbeiter und Richter des Amtsgerichts Weimar sowie der fehlenden Einflussmöglichkeit auf Art und Umfang der Tätigkeit der erkennenden Richter wegen des zu beachtenden Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit begründet. Die Haltung der Vertreter des Gerichts kommt einer Bankrotterklärung gleich und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar, da die überlange Verfahrensdauer de facto eine Rechtsverweigerung darstellt. Der nunmehrige Aktionismus, Bagatelltäter kurzfristig ihrer hoffentlich gerechten Strafe zuzuführen, ist letztendlich lediglich Augenwischerei.