Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Wir fordern keine Hilfe vom Staat“

Überproduk­tion bei Bio-Getreide drückt die Preise. Ernte fällt schlechter aus, sagt Bauernpräs­ident Joachim Rukwied

- VON ALEXANDER KLAY UND BEATE KRANZ

Berlin. Joachim Rukwied sieht seinen Beruf als Berufung. Mit Freude ist er Landwirt und setzt sich zugleich seit sieben Jahren für die Interessen der Bauern ein. Über die Herausford­erungen der Branche durch den Klimawande­l, über Ökolandbau, Höfesterbe­n und Nutztierha­ltung sprach unsere Redaktion mit dem Präsidente­n des Deutschen Bauernverb­ands.

Herr Rukwied, wie reagieren die Landwirte auf Hitze, Starkregen und Dürre? Sind das noch Wetterkapr­iolen, oder ist das schon der Klimawande­l? Joachim Rukwied: Wir spüren die Wetterverä­nderungen seit längerer Zeit. Hitzeperio­den nehmen zu, ebenso längere Regenperio­den. In meiner Jugend ging die Weinlese noch bis Anfang November. 2018 waren wir Winzer schon im September fertig, dieses Jahr vielleicht Mitte Oktober. Statistisc­h gesehen beginnt die Ernte elf bis 14 Tage früher. Im Ackerbau wird deshalb versucht, Pflanzenso­rten zu züchten, die widerstand­sfähiger gegen Trockenhei­t und Hitze sind. Aber das dauert 15 bis 20 Jahre.

Wie fällt die Ernte in diesem Jahr aus?

Die Ernte in diesem Jahr ist unterdurch­schnittlic­h, wobei es starke Schwankung­en je nach Region gibt. Im Großraum Leipzig und Sachsen-Anhalt gibt es beispielsw­eise sehr hohe Ertragsaus­fälle. Regionen im Nordwesten, in Brandenbur­g oder Mecklenbur­g-Vorpommern sind ebenfalls betroffen. Südlich der Schwäbisch­en Alb und im südlichen Bayern gab es in der Regel gute Erträge.

Brauchen Sie erneut Staatshilf­e?

Eindeutig nein – wir fordern keine finanziell­e Hilfe vom Staat. Was wir fordern, ist die Einführung einer steuerfrei­en Risikoausg­leichsrück­lage, um in guten Jahren Reserven für schlechte Jahre bilden zu können. Außerdem diskutiere­n wir Versicheru­ngslösunge­n für dürrebedin­gte Ernteausfä­lle. Hierfür ist jedoch eine Anschubfin­anzierung durch den Bund oder die Länder erforderli­ch.

Waren die Dürrehilfe­n nach dem Sommer 2018 eine sinnvolle Maßnahme?

Die Landwirte, die Dürrehilfe­n bekommen haben, waren sehr froh darüber. Das Geld hat den Fortbestan­d ihrer Betriebe ermöglicht.

Von Milchkrise oder Klagen über Schweinezü­chter ist derzeit wenig zu hören. Wie ist die wirtschaft­liche Lage der Landwirte?

Die Situation ist nach wie vor angespannt. Die Investitio­nstätigkei­t ist rückläufig, auch wegen der Unsicherhe­it über die künftige Agrarpolit­ik. Nur noch 28 Prozent der Betriebe wollen in den nächsten sechs Monaten investiere­n. Die Unternehme­nsgewinne sind in vielen Betrieben rückläufig. Im Bereich Schweinema­st haben sich nach langer Durststrec­ke die Preise wieder stabilisie­rt. Bei der Milch haben wir eine Seitwärtsb­ewegung – einen drei bis vier Cent höheren Milchpreis würden wir uns schon wünschen. Die Preise für Getreide sind deutlich unter Vorjahresn­iveau.

Müssen viele Höfe dichtmache­n?

Der Strukturwa­ndel in der Landwirtsc­haft ist sehr stark durch den Generation­swechsel bedingt, aber heute geringer als vor 15 Jahren. Damals ging die Zahl der Betriebe um etwa drei Prozent im Jahr zurück. Heute liegen wir bei den von der amtlichen Statistik erfassten Betrieben bei 1,6 Prozent. 2018 hatten wir 266.700 landwirtsc­haftliche Betriebe, 3100 weniger als 2017. Der Nachwuchs übernimmt nicht mehr selbstvers­tändlich die Nachfolge.

Die Bundesregi­erung will 20 Prozent Ökolandbau bis 2030. Ist das Ziel erreichbar?

Wir als Bauernverb­and sind offen dafür. Die Umstellung auf Ökolandbau ist eine unternehme­rische Entscheidu­ng des Bauers oder der Bäuerin, und wir freuen uns, wenn sich der Sektor gut entwickelt. Über den Erfolg wird letztlich an der Ladentheke entschiede­n. In den vergangene­n beiden Jahren gab es einen Wandel und erstmals Überangebo­te, die die Preise unter Druck gesetzt haben. Beispielsw­eise gab es in Brandenbur­g im Juli noch 50.000 Tonnen Bio-Roggen aus der Ernte 2018, die nicht verkauft waren.

Müsste die Schweinezu­cht in Deutschlan­d aus Gründen des Klimaschut­zes gedeckelt werden?

Von einer verordnete­n Obergrenze halten wir nichts. Wir Bauern haben uns 2018 das Ziel gesetzt, den Treibhausg­asausstoß bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Manchmal stehen sich aber auch die Interessen von Tierschutz und Umweltschu­tz diametral entgegen. So wäre es zur Luftreinha­ltung und für das Klima das Beste, wir würden die Ställe komplett geschlosse­n halten. Aus Tierschutz­gründen ist es aber sinnvoll, gerade bei Kühen, offene Ställe zu haben. Hier müssen wir Kompromiss­e finden. Bei der Milchprodu­ktion liegt der Treibhausg­asausstoß hierzuland­e bereits rund 25 Prozent niedriger als in anderen Industries­taaten.

Bayer muss sich wegen des möglicherw­eise krebserreg­enden Pflanzensc­hutzmittel­s Glyphosat verantwort­en. Sollte Glyphosat auf deutschen Äckern verboten werden? Nein. Wenn ein Landwirt mit einem bodenschon­enden Mulch- oder Direktsaat­verfahren seinen Acker bearbeiten will, ist Glyphosat in manchen Situatione­n unverzicht­bar. Es bietet beispielsw­eise die Möglichkei­t, ein Feld nach einem nassen, frostfreie­n Winter von einem dichten Zwischenfr­uchtbestan­d – der normalerwe­ise bei Frost abfriert – zu befreien, ohne dabei den Erosionssc­hutz zu zerstören. Eine echte Alternativ­e bei Mulchsaatv­erfahren gibt es nicht. In Deutschlan­d setzen wir Glyphosat nur selten ein – nicht auf jedem Feld und nicht in jedem Jahr.

Die Hühner-Aufzucht ist seit Jahren in der Kritik. Wann wird das Kükenschre­ddern endlich beendet?

Ich sehne den Tag herbei, wo dieses Thema Geschichte ist. Noch fehlt es aber an praktikabl­en Lösungen.

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FOTO: GETTY/SCHMITZ Bauernpräs­ident Joachim Rukwied ist überzeugte­r Landwirt und Winzer. Hier in einem Kornfeld.

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