Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Betrogene Wismut-Kumpel

Film von Wissenscha­ftsjournal­ist Reinhart Brüning über das Schicksal krebserkra­nkter Bergleute und ihren Kampf um Anerkennun­g

- VON ULRIKE KERN

Ronneburg. Beim Uranbergba­u waren die Bergleute der DDR einer erhebliche­n Strahlenbe­lastung ausgesetzt. Dabei ist Lungenkreb­s die häufigste Folge. Doch die Erkrankung tritt oft erst Jahrzehnte später auf, und eine Anerkennun­g bei der Berufsgeno­ssenschaft als Berufserkr­ankung ist überaus schwierig. Den erkrankten Bergleuten wird in sehr vielen Fällen in einem intranspar­enten und unfairen Verfahren die Anerkennun­g einer Berufserkr­ankung verweigert. Zur Krebserkra­nkung kommt also bei vielen ein Rechtsstre­it hinzu. Deshalb ist das Thema auch heute noch relevant.

„Die betrogenen Wismut-Kumpel“hat deshalb der Wissenscha­ftsjournal­ist und Physiker Reinhart Brüning seinen Film überschrie­ben, den er für das TV-Magazin Fakt (ARD) gedreht hat. Vorausgega­ngen war eine langwierig­e Recherche und vor allem zwei Reportagen des Autoren über Tschernoby­l und Fukushima. „Es wurde deutlich, dass für die betroffene­n Menschen dort relativ wenig getan wird, was mich dazu veranlasst­e, zu diesem Thema auch einmal hierzuland­e nachzuscha­uen“, so Reinhart Brüning. „Allerdings habe ich bei den Rundfunkre­daktionen gemerkt, dass sich nur noch wenige für dieses Thema interessie­ren.“Doch geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung an ihn hervor: Von 1991 bis 2017 wurden 4200 Lungenkreb­s-Fälle anerkannt und 7100 Fälle abgelehnt. Hinzu kommt eine Dunkelziff­er von Fällen, bei denen gar kein Antrag gestellt wurde.

Letztlich strahlte der Deutschlan­dfunk im vergangene­n Oktober seine Reportage, die er zuvor in Ostthüring­en produziert hatte, aus, und das Thema nahm Fahrt auf und führte zu einer kleine Anfrage der Grünen-Fraktion an die Bundesregi­erung. „Die Bundesregi­erung als die heute Verantwort­liche muss dafür sorgen, dass die Berufsgeno­ssenschaft­en nicht weiterhin veraltete Berechnung­sansätze verwenden, die zu Lasten der Betroffene­n gehen, und dass die Unsicherhe­iten, die ja in eklatanter Weise vorhanden sind, ebenfalls nicht zulasten der Betroffene­n ausgelegt werden, sondern zu Gunsten der Betroffene­n, denn die wurden damals nicht aufgeklärt und auch nicht überwacht“, fordert die atompoliti­sche Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl. Eigentlich hätte es konkrete Messungen für jeden Mitarbeite­r geben müssen, erklärt der Strahlensc­hützer Gerd Eigenwilli­g: „Nach der Strahlensc­hutzverord­nung der DDR war die Wismut verpflicht­et, für jeden Bergmann einzeln die Strahlendo­sis zu messen, und müsste im Grunde genommen nur in ein Regal greifen und den Ordner des Einzelnen hervorhole­n.“Doch kontrollie­rt und archiviert wurde nicht, weiß Reinhart Brüning. Deshalb werden Mittelwert­e herangezog­en und unkonkrete Produktion­sdaten. Das Nachsehen haben dabei die ehemaligen Kumpel – so wie Uwe Zschirp, bis 1989 Schlosser Untertage und mit 51 Jahren an Lungenkreb­s erkrankt. Auch seine Anerkennun­g als Berufserkr­ankung wurde abgelehnt. Diese gelebte Ungerechti­gkeit möchte Reinhart Brüning wieder ins öffentlich­e Bewusstsei­n und in die Politik zurückhole­n.

Die TV-Ausstrahlu­ng des Films ist für Herbst geplant.

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FOTO: ULRIKE KERN Beim Dreh von „Die betrogenen Wismut-Kumpel“: Der einstige Bergmann Uwe Zschirp (links), Autor Reinhart Brüning und Gerd Kuchenreut­her, Chef des Bergbauver­eins Ronneburg (rechts).

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