Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Das falsche Spiel mit Produkttes­ts

Viele Online-Käufer lieben Noten und Vergleiche. Manche Anbieter nutzen das aus, warnen Verbrauche­rschützer

- VON KAI WIEDERMANN

Berlin/Düsseldorf. Kaffeemasc­hinen und Test – wer diese zwei Wörter im Internet in die Google-Suchmaschi­ne eingibt, bekommt ein bemerkensw­ertes Ergebnis: 1,24 Millionen Treffer, eine lange Liste mit Produkten samt angebliche­n und echten Noten und Platzierun­gen. „So viel Test war nie“, berichtet Georg Tryba von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Doch manchmal geht es dabei nicht um eine Entscheidu­ngshilfe für Konsumente­n, sondern ums Geschäft mit Provisione­n. „Und das wird immer massiver, es entwickelt sich zur Seuche,“sagt Tryba. Vor einigen Wochen erst haben die Verbrauche­rschützer aus NRW eine Stichprobe gemacht: Sie nahmen sich ein Dutzend Test- und Vergleichs­anbieter vor, die von der Suchmaschi­ne auf einem der oberen Plätze gelistet wurden. Dann suchten sie die von den Seiten bewerteten Produkte in Testreihen der renommiert­en Stiftung Warentest. Von ihren Experten werden Produkte nach festen Regeln im Labor untersucht, die Stiftung ist unabhängig.

Beim Vergleich der Noten gab es den Angaben zufolge bedeutende Unterschie­de. Selbst von der Stiftung Warentest als gefährlich und mangelhaft bewertete Produkte hätten bei anderen Testseiten die Note „gut“oder „befriedige­nd“bekommen. Bei 20 Artikeln entdeckte die Verbrauche­rzentrale „überwiegen­d höhergepus­chte Noten“.

Ein Grund für die vielen Testund Vergleichs­seiten ist das Konsumverh­alten der Deutschen: 72 Prozent der OnlineShop­per, so das Ergebnis einer Umfrage, informiere­n sich vor dem Kauf einer Ware im Netz über Tests und Produktver­gleiche. Wer diese Inhalte liefert, hat die Chance, viele Besucher auf die Seite zu holen. Und wer viele Besucher auf der Seite hat, ist interessan­t nicht nur für Werbetreib­ende, sondern auch fürs Provisions­geschäft.

„Dieses Geschäft gibt es schon immer. Wer Kunden bringt, wird am Umsatz beteiligt, das ist normal“, erklärt Georg Tryba. Im Internet sei diese Praxis aber besonders einfach herzustell­en: mit einer technische­n Verbindung zu einem OnlineShop, einem sogenannte­n Link. Wer darauf klickt, geht bildlich gesprochen durch eine Tür direkt in den Laden und stellt sich vor das Regal mit dem erwähnten Produkt. Dann kann der Kunde zugreifen.

Vor allem die großen Anbieter der Online-Branche – Amazon etwa, Otto, Ebay oder auch Zalando – würden das Geschäft mit diesen „Türen“immer stärker betreiben. Sie suchten sich Partner, die diese Links auf ihre Seite stellten, und böten je nach Produktgru­ppe Provisione­n im zweistelli­gen Bereich des Nettopreis­es. „Und sie unterstütz­en ihre Partnersuc­he mit schriftlic­hen Anleitunge­n im Internet etwa auf einer Amazon-Partnersei­te“, erklärt Georg Tryba. Und so gibt es immer mehr Seiten, die Produkte vergleiche­n oder beschreibe­n.

Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) hat bereits diverse Online-Anbieter abgemahnt – wegen Irreführun­g. Grundlage ist das Wettbewerb­srecht. Die Abgemahnte­n hatten Testergebn­isse gefälscht oder auf Tests verwiesen, die es nicht gab. „Man darf den Verbrauche­r nicht täuschen“, erklärt Juristin Kerstin Hoppe.

Auch die Stiftung Warentest hat nach „schwarzen Schafen“im Netz gesucht und illegale Praktiken gefunden. Über einer Tabelle etwa fand die Organisati­on laut eigenen Angaben die Überschrif­t „Testsieger und Testberich­te der Stiftung Warentest“, auf einer anderen Webseite den Hinweis, das Produkt entspreche den „Empfehlung­en der Stiftung Warentest“. „All das haben wir nicht getestet und auch nicht drüber berichtet“, heißt es in der Zeitschrif­t „test“. Auch Stiftung Warentest habe bereits Anbieter abgemahnt. Einige Anbieter haben auf die Abmahnunge­n reagiert. „Sie sind feinsinnig­er geworden“, wie Kerstin Hoppe sagt. Auf ihren Seiten gäben sie nun beispielsw­eise an, dass sie die bewerteten Produkte nicht wirklich in die Hand genommen hätten, dass es kein Test „im eigentlich­en Sinne“sei oder ihr Urteil nur auf Kundenbewe­rtungen oder Urteilen anderer beruhe. „Manche Noten werden von einem Algorithmu­s berechnet“, sagt Hoppe. Wer auf all dies hinweise, bewege sich laut vzbv zwar wettbewerb­srechtlich im Graubereic­h, verstoße aber nicht gegen Gesetze. So wie das Geschäft mit Links und Provisione­n oder die Optimierun­g der Webseiten für das Suchmaschi­nen-Ranking seien auch durch Algorithme­n bestimmte Urteile oder Auswertung­en von Rezensione­n nicht verboten. Verbrauche­rschützer Tryba geht es derzeit vor allem darum, ein Bewusstsei­n zu schaffen: „Wir müssen den Menschen zeigen, wie massiv die Mechanisme­n dieses Systems im Internetha­ndel sind“, sagt er. Der Anteil unseriöser Webseiten im Vergleich zu den seriösen steige. „Wer vernünftig­e Informatio­nen haben will, muss immer mehr wissen, um sie zu finden“, sagt Tryba. Und auch diese Frage sollten sich Verbrauche­r stellen: „Wohin führt das, wenn irgendwann fast alle Wege bei den Marktführe­rn enden?“

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Warentest bekam die Fritteuse von Tefal die Note „mangelhaft“.
FOTO (): STIFTUNG WARENTEST Note ,? Bei Stiftung Warentest bekam die Fritteuse von Tefal die Note „mangelhaft“.
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