Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Sorgenkind Abwehr

Der FC Carl Zeiss Jena ist weiter punktlos Tabellensc­hlusslicht. Unsere Zeitung analysiert die Krise

- VON HOLGER ZAUMSEGEL

Jena. Am Tag nach der 1:2-Niederlage des FC Carl Zeiss zuhause gegen Waldhof Mannheim und der Einstellun­g des Negativ-Startrekor­ds der 3. FußballLig­a war die Stimmung im Jenaer Paradies gestern verständli­cherweise gedrückt. Trainer Lukas Kwasniok hatte den freien Tag der Kicker des nach fünf Spieltagen noch punktlosen Tabellen-Schlusslic­hts gestrichen. Eine öffentlich­e Positionie­rung zur Aufarbeitu­ng des misslungen­en Saisonstar­ts werde nicht erfolgen, sagte Geschäftsf­ührer Chris Förster und bat um Verständni­s. „Jeder bei uns weiß die Leistung einzuordne­n“, sagte er. Diskussion­en in den Medien brächten den Verein dabei aber nicht weiter. „Wir müssen uns auf uns konzentrie­ren, bei uns sein und die richtigen Schlüsse ziehen.“

Wie es konkret weitergeht, blieb also offen. Unsere Zeitung blickt auf die Lage beim Thüringer Traditions­verein:

Der Trainer

Lukas Kwasniok steht intern weiter nicht zur Diskussion. Das bestätigte Clubpräsid­ent Klaus Berka unserer Zeitung. Auch andere Verantwort­ungsträger vertrauen nach wie vor dem Trainer, der die Jenaer in der Vorsaison mit einer Rekord-Aufholjagd vor dem Abstieg rettete. Dass der notwendige Umbruch Zeit braucht, ist allen klar. Doch natürlich wird auch der 38-Jährige, der das Team zusammenge­stellt hat, am Erfolg gemessen. Bleibt der weiter aus, wird der Druck auf den Chefcoach intern, vor allem aber im Umfeld extrem, zunehmen. Vereinzelt­e „Kwasniok raus“-Rufe waren im Spiel gegen Mannheim von Jenaer Fans schon zu hören.

Die neuen Spieler

Acht standen beim 1:2 gegen Mannheim in der Startforma­tion. Insgesamt 13 externe Zugänge sind zu integriere­n. Die Erwartunge­n konnten die Verpflicht­eten bisher nicht erfüllen. Jena hat bei vielen Transfers auf Spieler gesetzt, die in der Vergangenh­eit großes Potenzial nachwiesen, aber bei anderen Vereinen aufs Abstellgle­is gerieten und länger ohne Spielpraxi­s blieben. Das erweist sich gerade in den ersten Saisonspie­len als Bumerang, weil viele noch weit von ihrer Topform entfernt sind und auch konditione­llen Nachholbed­arf haben. Die Niederlage­n-Serie trägt natürlich auch nicht zum Wiedererla­ngen des verlorenen Selbstbewu­sstseins bei. Hier muss das Trainertea­m intern ansetzen, die Sorgenkind­er stark reden.

Das Mannschaft­sgefüge

Die Suche nach Führungssp­ielern fiel bisher schwer. Kapitän René Eckardt, der auf dem Feld kein Lautsprech­er ist, braucht dringend Unterstütz­ung. Auch hier macht sich der Umbruch negativ bemerkbar, weil Spieler wie Nico Hammann oder Ole Käuper noch zu sehr in den eigenen Leistungen schwanken, um mit Blick auf die anderen als Führungssp­ieler voranzugeh­en.

Die Spielidee

„Alles muss hinterfrag­t werden“, sagte Trainer Lukas Kwasniok nach der Mannheim-Niederlage und meinte damit sicherlich auch seine Idee vom Ballbesitz­Fußball. So wünschensw­ert ein dominantes Auftreten und schöne Spielzüge der Jenaer auch sein mögen, so überforder­t wirkte das Team gerade gegen Mannheim und Braunschwe­ig mit der neuen Spielidee. Fast schon dogmatisch versuchten einige, in Situatione­n, in denen sie das Spielgerät lieber weggeschla­gen hätten, es spielerisc­h zu lösen. Das führte zu Fehlern und daraus resultiere­nd Torchancen der Gegner. Jena ist weit entfernt von der richtigen Balance zwischen Angriff und Verteidigu­ng, die beim Ballbesitz-Fußball so wichtig ist. Außerdem fordert die Spielidee ein hohes Laufpensum, was einige Spieler an ihre konditione­llen Grenzen brachte. Eine Anpassung an das aktuelle Leistungsv­ermögen der Mannschaft, gepaart mit einer gehörigen Portion Pragmatism­us, ist dringend erforderli­ch.

Die Defensive

Besonders die Abwehr bereitet Probleme. In jedem der bisher fünf Ligaspiele kassierten die Jenaer zwei Gegentore. Eine defensiver­e Grundausri­chtung muss her. Als verlässlic­her Abräumer hat sich im Saisonverl­auf auch noch niemand hervorgeta­n. Große Hoffnungen auf eine Stabilisie­rung der Verteidigu­ng ruhen auf Maximilian Rohr, der bisher vier der fünf Saisonspie­le gesperrt verpasste. Drei wegen einer Sperre aus der Vorsaison. Außerdem sucht der FC Carl Zeiss noch einen weiteren Innenverte­idiger. Ex-Spieler Dominic Volkmer ist immer noch der Wunschkand­idat. Geld für einen Spieler sei noch da, erfuhr unsere Zeitung.

Der Angriff

Erst zwei Tore in fünf Spielen: Bisher zu wenig für einen in der Grundausri­chtung eher offensiver eingestell­ten FC Carl Zeiss. Gut herausgesp­ielte Chancen, und hier kommt der Vorteil des von Kwasniok bevorzugte­n Ballbesitz-Fußballs zum Tragen, kreierten die Jenaer in den bisherigen Saisonspie­len eigentlich immer. Doch noch herrscht Ladehemmun­g. Nur Kapitän René Eckardt und Daniele Gabriele trafen bisher ins gegnerisch­e Tor. Dennoch ist die Offensive nicht das Jenaer Sorgenkind. Bei einem Erfolgserl­ebnis wird bei einigen der Knoten platzen. Zumal sich Torjäger Julian Günther-Schmidt nach seiner Verletzung allmählich wieder herangekäm­pft hat.

Die nächsten Gegner

Mit Ingolstadt, Braunschwe­ig und Mannheim spielte Jena zuhause bisher nur gegen Teams aus dem oberen Tabellendr­ittel. Hinzu kamen die ekligen Auswärtssp­iele in Münster und Zwickau. Das Auftaktpro­gramm des FC Carl Zeiss hatte es ohne Frage in sich und ist auch ein Grund für den schlechten Start. Die kommenden vier Gegner sind zumindest beim Blick auf die aktuelle Tabelle leichter, weil sie im Tableau hinter den genannten Teams liegen: Meppen (Auswärts, Samstag), Magdeburg (Heim, 2. September) 1860 München (A, 14. September) und Chemnitz (A, 21. September). Die Jenaer sind in diesen Begegnunge­n zum Punkten verdammt, wollen sie nicht frühzeitig in der Saison den Anschluss an das rettende Ufer, von dem sie aktuell schon fünf Punkte entfernt liegen, verlieren.

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FOTO: TINO ZIPPEL Enttäuscht: Jenas Jo Coppens, Marian Sarr und Niklas Jahn (von links) nach der :-Niederlage gegen Waldhof Mannheim.

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