Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ganz unterschie­dliche Urlaubsreg­elungen

Politische Bestrebung­en zur Anhebung auf 30 Tage – Verband der Wirtschaft sieht das kritisch

- VON GERLINDE SOMMER

Erfurt. In vielen Branchen werden Arbeitnehm­ern deutlich mehr als 24 Urlaubstag­e gewährt. Allerdings ist es nach Erkenntnis des Verbandes der Wirtschaft Thüringen (VWT) keineswegs so, dass sich deshalb durch Deutschlan­d beim Urlaubsans­pruch ein Riss zieht – und deshalb das Bundesurla­ubsgesetz auf 30 Tage Mindestans­pruch angehoben werden müsse, wie dies die Thüringer SPD mit einer Initiative auf Bundeseben­e anstrebt (wir berichtete­n). Die Urlaubsreg­elungen seien von „ Branche zu Branche unterschie­dlich. Auch in den alten Bundesländ­ern haben die Beschäftig­ten nicht in allen Branchen 30 Tage Urlaubsans­pruch“, betont Verbandssp­recherin Ute Zacharias. „Der VWT sieht keinen Handlungsb­edarf, das geltende Bundesurla­ubsgesetz zu ändern. Das Gesetz regelt den Mindestans­pruch und häufig haben die Firmen mit Betriebsrä­ten oder Gewerkscha­ften mehr als 24 Tage vereinbart.“

„30 Tage Urlaub sind grundsätzl­ich richtig und wünschensw­ert“, erklärt dagegen Elke Holzapfel, arbeitsmar­ktpolitisc­hen Sprecherin der CDUFraktio­n im Thüringer Landtag.

Erfurt. Eine Woche mehr Urlaub: Das wäre das Ergebnis für viele Arbeitnehm­er in Thüringen, wenn das Bundesurla­ubsgesetz von 24 auf 30 Tage als Mindestans­pruch angehoben würde. Die Initiative dazu geht von der Thüringer SPD aus – und soll nun von Bundesabge­ordneten wie Christoph Matschie in Berlin vorangetri­eben werden. „Die Stärkung der Arbeitnehm­errechte ist definitiv ein klassische­s sozialdemo­kratisches Thema“, sagt er. Die Stellungna­hme der AfD Thüringen fällt daher auch nur ganz kurz aus: „Das ist Wahlkampfg­etöse der SPD Thüringen. Unseres Wissens nach ist die SPD in der Bundesregi­erung“, teilt auf Anfrage ein Sprecher mit. Matschie rechnet „nicht mit großem Widerstand auf Bundeseben­e, wenn es einen konkreten Vorschlag gibt, der alle Aspekte wie beispielsw­eise die Zumutbarke­it in kleineren Betrieben oder mögliche Folgekoste­n berücksich­tigt“, sagt er – und kommt dann aufs Große und Ganze zu sprechen: „Wenn die großen Vorhaben, die wir als SPD bereits angestoßen haben – sei es die Grundrente, die Abschaffun­g des Soli oder die Klimastrat­egie – abgearbeit­et sind, könnte das durchaus als mittelfris­tiges Ziel gesetzt werden. Insgesamt würden aber auch besonders ostdeutsch­e Arbeitnehm­erInnen profitiere­n, die in den Punkten Entlohnung und Urlaubsans­prüche tendenziel­l gegenüber den westdeutsc­hen Arbeitnehm­erInnen benachteil­igt sind.“Ute Zacharias, Sprecherin des Verbandes der Wirtschaft Thüringen (VWT), sieht keinen

Grund für eine Anhebung auf 30 Tage: „So seien in der Metallund Elektroind­ustrie 30 Tage Urlaub vereinbart, während es in der Ernährungs­industrie branchensp­ezifische Staffelung­en zwischen 27 bis 30 Tagen gebe. Das Deutsche Rote Kreuz habe ebenfalls „ Staffelung­en zwischen 26 und 30 Tagen vereinbart, während der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband 26 Tage gewähre.

„Urlaub hängt in der Regel auch von Betriebszu­gehörigkei­t ab. In den Firmen werden Gesamtpakt­e vereinbart“, sagt sie – und verweist neben dem Urlaubsans­pruch auf andere Leistungen wie „Zuschläge für Schichtarb­eit, Zeitkonten, Boni, Prämien, Sonderzahl­ungen oder Gewinnbete­iligungen.“Firmen mit Betriebsrä­ten oder Gewerkscha­ften hätten häufig bereits mehr als 24 Tage vereinbart.

Thomas L. Kemmerich, Thüringer FDP-Chef und Bundestags­abgeordnet­er, sagt: „Wir Freien Demokraten begrüßen es, wenn Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern mehr wohlverdie­nten Urlaub nehmen können.“Allerdings gehe der Vorstoß der SPD „an der wirtschaft­spolitisch­en Realität vorbei. Denn wir haben bei den Urlaubstag­en kein Ost-West, sondern ein Nord-Süd- und ein Branchen-Gefälle“, macht er deutlich. Der Süden der Republik sei wirtschaft­lich stärker als der Norden und daher würde dort mehr Urlaubsans­pruch gewährt. Es gehe dabei auch um den Wettbewerb um die besten Fachkräfte. Kemmerich leitet als Aufgabe der Politik ab: „Statt starrer bundeseinh­eitlicher Vorgaben sollten wir versuchen die regionale Wirtschaft zu stärken.“Er befürchtet, dass „gerade für Thüringen eine solche Regelung den Aufholproz­ess bremsen statt beschleuni­gen“würde. „Wir wollen ein wirtschaft­lich starkes Umfeld durch mehr Investitio­nen in die Infrastruk­tur und durch mehr Entlastung­en beim Mittelstan­d sorgen, dann können die Tarifparte­ien ganz ohne staatliche Vorgaben ihre Urlaubstag­e ausweiten“, sagt der Liberale.

Elke Holzapfel, arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecherin der CDUFraktio­n im Thüringer Landtag, betont: „30 Tage Urlaub sind grundsätzl­ich richtig und wünschensw­ert. In erster Linie müssen die Unternehme­n selbst ein Interesse daran haben, Mitarbeite­r durch gute und konkurrenz­fähige Arbeitsbed­ingungen zu binden“, sagt sie. Auf der anderen Waagschale liege bei der vorgeschla­genen gesetzlich­en Regelung die Tarifauton­omie. „Rot-Rot-Grün hat es nicht geschafft, die Tarifauton­omie zu stärken. Das ist ärgerlich für Beschäftig­te“, so Holzapfel. Eine Möglichkei­t, Beschäftig­ten entgegenzu­kommen: „Für ausgesucht­e Feiertage einen zusätzlich­en Urlaubstag gewähren, wenn er auf einen Sonntag fällt.“

„Über Ungerechti­gkeiten zwischen Ost und West dürfen wir nicht mehr schweigen.“Christoph Matschie, Thüringer SPD-Bundestags­abgeordnet­er

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