Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Geständnis im Mordprozes­s

Tragödie in Pößneck: Ein 78 Jahre alter Ingenieur soll aus Rache seinen Nachbarn erstochen haben

- VON TINO ZIPPEL

Mit fester Stimme sagt der 78-jährige Angeklagte zur Tochter seines Nachbarn, den er erstochen hat: „Ich möchte aufrichtig um Verzeihung bitten. Ich habe versucht, mir zu erklären, wie es dazu kommen konnte, habe bis heute aber keine Erklärung gefunden.“

Die erste Strafkamme­r des Landgerich­tes Gera verhandelt seit gestern das Verbrechen, das sich am 24. Februar in Pößneck ereignet hat. Staatsanwa­lt Jens Wörmann nennt als Motiv einen Nachbarsch­aftsstreit. Demnach habe der Angeklagte geglaubt, sein 67-jähriger Nachbar habe die Gartenhütt­e in der Kleingarte­nanlage an der Jenaer Straße in Brand gesteckt. Beim Feuer war zum Jahreswech­sel von 2018 auf 2019 ein Schaden von 10.000 Euro entstanden.

Da der Angeklagte gewusst habe, dass der Nachbar bald seine Wohnung räumen wird, sei er am Abend des 24. Februar gegen 22.10 Uhr in dessen Wohnung gegangen. Deren Eingangstü­r habe über eine Klinke verfügt und war nicht abgeschlos­sen, so die Anklage. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Mann vor, dem schlafende­n Opfer, das auf einer Matratze auf dem Boden lag, mit der acht Zentimeter langen Klinge eines Einhandmes­sers einmal gezielt ins Herz gestochen zu haben – angeklagt als Mord mit Heimtücke und dem niederen Beweggrund Rache.

Der Angeklagte wählte selbst den Notruf und informiert­e, dass er seinen Nachbarn abgestoche­n habe und sie sich beeilen sollten, wenn sie ihn noch retten wollten. Der Notarzt konnte um 22.37 Uhr nur noch den Tod des Mannes feststelle­n. Anderthalb Stunden später hatte der Angeklagte noch 1,8 Promille Alkohol im Blut.

Zur Tat lässt der seit 46 Jahren verheirate­te Ingenieur seinen Verteidige­r Manfred Dahmen sprechen. Schon seit Jahren hatte der Streit geschwelt. Das spätere Opfer, so hieß es in Briefen an die Wohnungsge­sellschaft, sei durch unflätiges Verhalten und Unordnung aufgefalle­n. So habe er betrunken und nur in Unterhose vorm Haus gesessen und Mitbewohne­r bedroht. Die Hausverwal­tung hatte ihm die Wohnung gekündigt und für ihn eine neue Bleibe gesucht. Nach dem Brand der Gartenhütt­e verdächtig­te die Familie des Angeklagte­n das spätere Opfer. Dem Angeklagte­n habe es schwer zu schaffen gemacht, dass der liebevoll aufgebaute und gepflegte Bungalow ausgebrann­t war. Am Tattag sei er zunächst in einer Eisdiele in Kahla und später in einem Lokal in Pößneck gewesen. Er habe Bier und Schnaps getrunken – viel

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FOTO: TINO ZIPPEL Der -jährige Rentner aus Pößneck (rechts) bespricht sich vorm Prozessauf­takt mit seinen Verteidige­rn Manfred Dahmen (Mitte) und Alexander Giehler. Der Ingenieur sitzt in Untersuchu­ngshaft.

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