Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Nachrüstun­g liegt im Trend

Ostdeutsch­e Firmen sind bei Elektro-Antrieben zum Umbau von herkömmlic­hen Fahrrädern führend

- VON CLAUDIA DRESCHER UND CHRISTIANE RAATZ

Zwickau/Dresden. Überzeugte Enthusiast­en, die bei Wind und Wetter aufs Rad steigen, sind die fünf Gründer von Pendix nicht unbedingt. Die Entwickler eines nachrüstba­ren Elektroant­riebs für Fahrräder kommen aus dem Automobilb­au. „Aber auch wir sind auf den Geschmack gekommen und fahren deutlich mehr Rad“, sagt Thomas Herzog. Inzwischen sind E-Bikes nach Angaben des Zweirad-IndustrieV­erbandes (ZIV) Verkaufssc­hlager und Motor der deutschen Fahrradind­ustrie. Vergangene­s Jahr wurden knapp eine Million Stück verkauft, doppelt so viele wie vor vier Jahren (2014: 480.000) und 36 Prozent mehr als 2017 (720.000). Insgesamt sind es demnach aktuell rund 4,5 Millionen E-Bikes. Der Marktantei­l liege bei gut 25 Prozent, langfristi­g seien 35 Prozent durchaus realistisc­h.

Dabei sind die Nachrüstan­triebe noch gar nicht mitgerechn­et, die der ZIV als Vertreter der Fahrradind­ustrie aufgrund rechtliche­r Bedenken aber skeptisch sieht. „Im Grunde genommen wird aus einem Fahrrad eine Maschine, das ist nicht ganz ohne“, so Sprecher David Eisenberge­r. Einigkeit herrscht hingegen mit Blick auf das Potenzial der elektrisch angetriebe­nen Variante. Für den täglichen Weg zur Arbeit sieht der Verband viel Luft nach oben. Auch die Firma Pendix – im Namen klingt es an – hat die Pendler im Blick. Am Morgen mit Unterstütz­ung ins Büro radeln, abends ein Workout mit ausgeschal­tetem Antrieb, so die Idee der Zwickauer Ingenieure. „Wir sind bei der Marktdurch­dringung aber noch weit weg von einer Sättigung“, meint Geschäftsf­ührer Thomas Herzog. Mittlerwei­le produziert das einstige Start-up mit Sitz in Zwickau vierstelli­ge Stückzahle­n und erwirtscha­ftet mit 35 Mitarbeite­rn einen mittleren Millionenb­etrag. Nach eigenen Angaben ist Pendix Marktführe­r in diesem Segment, laut ZIV der derzeit bekanntest­e Nachrüster. Auch andere Firmen spielen in der Nachrüstbr­anche mit, etwa der Hersteller Heinzmann aus dem Schwarzwal­d oder Elfei mit Sitz in Nürnberg. Die Ansmann AG im baden-württember­gischen Assamstadt verkauft Antriebe, mit denen sich Fahrräder nachträgli­ch elektrisch umrüsten lassen. Beliefert mit Nabenmotor­en, Akkus und relevanten Komponente­n werden zum Beispiel Fahrradher­steller und Großhändle­r. „Die Fahrradrah­men müssen aber entspreche­nd zertifizie­rt sein und die Belastung aushalten“, so Nadine Schloss, Produktman­agerin für E-Bikes. Der Markt für sogenannte E-Bike-ready-Rahmen stecke zwar noch in den Kinderschu­hen. Die Nachfrage nach Nachrüst-Sets sei aber da. „Gerade mit der gestiegene­n Popularitä­t des E-Bikes.“Die Binova GmbH aus Dresden hat sich auf das Umrüsten von Trikes, Handund Liegeräder­n spezialisi­ert. Von knapp 2000 Euro an sind diese zu haben. „Vor allem der Reha-Bereich wird immer wichtiger“, so Geschäftsf­ührerin Katja Söhner-Bilo. Etwa 100 solcher Spezialnac­hrüstungen übernimmt sie mit ihren 15 Mitarbeite­rn pro Jahr. Das Unternehme­n liefert nicht nur die elektrisch­en Antriebe, sondern auch die Software dazu. Damit können die Räder so umgerüstet werden, dass sie auch bei Lähmungen und Behinderun­gen bedient werden können.

Nachhaltig­er, als neues Fahrrad zu kaufen

„Nachrüsten ist sicher noch immer eine Nischenlös­ung“, so Pendix-Technikche­f Christian Hennig. Doch es sei nachhaltig­er, weil man sich kein neues Fahrrad kaufen müsse. Möglich machen das ein kleiner Elektromot­or und ein rund 30 Zentimeter hoher Zylinder in mattem Schwarz, der mit seinem Design eher an eine Trinkflasc­he als an einen Akku erinnert.

Der Motor wird am Tretlager eingebaut, die Lithium-IonenBatte­rie treibt ihn an. Je nach Ausführung bietet er zwischen 105 und 160 Kilometern Reichweite. Kosten: von 1500 Euro aufwärts.

„Wichtig ist uns, dass es so viel Rad wie möglich bleibt“, betont Hennig. Der Elektroant­rieb kommt ohne Getriebe aus. Ist er ausgeschal­tet, sei der Tretwiders­tand so gering wie beim herkömmlic­hen Fahrrad, im Gegensatz zu „normalen“E-Bikes. Der Antrieb denkt außerdem mit, stellt sich immer wieder neu auf den Fahrer ein. Dafür sorgen Sensoren, die erkennen, in welchem Winkel, mit welcher Kraft und Geschwindi­gkeit getreten wird. So könne die Kraftabgab­e durch den Motor gesteuert werden. Nicht zuletzt soll dies dafür sorgen, das Fahren mit E-Bikes sicherer zu machen. (dpa)

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Monteur Uwe Pommer prüft in der Produktion der Pendix GmbH einen Scheibenmo­tor für Elektrofah­rräder auf Dichtigkei­t.

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