Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Man muss ein bisschen verrückt sein“
Frank Orschler von Königsee Implantate gewinnt den Ernst-Abbe-Preis für innovatives Unternehmertum
Aschau. Frank Orschler lächelt, als er sagt: „Wenn alle warten, bis es ein anderer macht, fängt keiner an. Unternehmertum heißt, etwas vorzumachen, damit es andere nachmachen.“Das ist das Credo des 58Jährigen, der seit 2004 die Geschäfte von Königsee Implantate führt. Im Unternehmen wie auch privat gilt er als Vorreiter – und bekam jetzt in Weimar den Ernst-AbbePreis für innovatives Unternehmertum. Die Auszeichnung war ein Höhepunkt der Verleihung des 22. Innovationspreises Thüringen.
Am Rande von Aschau im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt hatte einst sein Vater Erich Orschler die Produktionsstätte von Königsee Implantate angesiedelt. Der HoechstVorruheständler hatte den Tipp erhalten, dass die Tradition des Implantate-Baus in Königsee vor dem Aus steht. Ein französischer Investor hatte viel Geld von der Treuhand abgezogen, aber letztlich nur wenig Interesse an der Fertigung in Ostdeutschland gehabt.
Orschler Senior – damals so alt wie der Sohn heute – wagte mit 58 Jahren den Einstieg. Die Banken lehnten zwar einen Kredit ab, er begeisterte aber eine Investorin für das Projekt. Die Maschinen standen unter großen Regenschirmen. Das Hallendach war undicht. Es musste neu gebaut werden. Frank Orschler trat 2002 ins Unternehmen ein, vervierfachte den Jahresumsatz auf
20 Millionen Euro und kaufte die Firma seinem Vater 2010 ab. „Ich bin der festen Überzeugung, dass man sich immer selbst hinterfragen muss. Ist das, was ich morgen machen will, noch zeitgemäß?“, nennt Frank Orschler eine der Fragen, die er sich regelmäßig stellt. Zwar könne dem Prinzip nicht jeder Mitarbeiter folgen, aber das sei die Grundlage für Innovation.
Ein Beispiel: Jahrelang heizte das Unternehmen am Wochenende die Produktionsstätte mit Gas. Die Maschinen brauchen gleichbleibende Temperaturen, um montags wieder mit höchster Präzision zu starten. Inzwischen speichert Königsee Implantate unter der Woche die Abwärme des Maschinenparks in einem Wassertank und heizt damit am Wochenende. Der Gasverbrauch hat sich rapide reduziert. Und: An einem Teil des Wochenendes schleifen Roboter aus Metallblöcken Implantate für den menschlichen Körper. Die Thüringer haben sich in die Entwicklung der Spezialmaschinen eingebracht, um das Material bestmöglich auszunutzen. Meist programmieren die Mitarbeiter für die mannlosen Schichten besonders komplizierte Teile. Gefragt sind die Stücke in
20 Ländern, um jede Art von Knochenbrüchen zu versorgen.
Die Politik stellt die Branche vor Herausforderungen. Künftig müssen Implantate mehrfach in Plastiktüten und Kartons verpackt werden, um die Teile steril ins Krankenhaus zu liefern. Das Lagervolumen erhöht sich um das Sechsfache, wie Orschler sagt. Nur wollte er sich nicht mit einem Lager auf dem Grundstück spätere Expansionsmöglichkeiten der Fertigung nehmen. Gute Erfahrungen hatte er schon beim Gebäuderecycling im eigenen Gewerbegebiet gesammelt: Eine ehemalige Fleischerei beherbergt nun die Galvanik.
In Königsee stand ein ehemaliger Einkaufsmarkt zum Verkauf. Der Standort bot die Chance, dass Mitarbeiter aus Königsee nicht mehr aufs Auto angewiesen sind und der Kindergarten für den Nachwuchs nicht weit ist. „Doch bei diesem Gebäude habe ich mich verkalkuliert“, sagt Orschler. Einkaufsmärkte sind spärlich überdachte Marktplätze. Zudem machten neue Bestimmungen für Deckenlasten quasi einen Neubau nötig. Die Investition verdoppelte sich auf zwei Millionen Euro. Dafür erfüllt das Gebäude nun mit Deckenheizung und Deckenkühlung modernste Ansprüche. Gleiches gilt für sein Wohnhaus, in dem eine Brennstoffzelle das Gas in Wärme und Strom zerlegt. Den erstmaligen Einsatz von Dachziegeln, die zugleich als Solarzellen dienen, verhinderten die Behörden in Erfurt. Sie glänzten zu sehr, hieß es in der Ablehnung. Orschler lässt sich nicht entmutigen. Sein Vorbild ist Elon Musk. Während die deutsche Autoindustrie lange Elektromobilität wegen der Reichweiten-Angst zurückhielt, habe Musk ein flächendeckendes Ladenetz geschaffen, um seine TeslaFahrzeuge abzusetzen. Ein solches steht bei Orschler, einem überzeugten Elektromobilisten der ersten Stunde, in der Garage.
Nachdenklich wird er, als er über die neue Medizinprodukte-Verordnung spricht, die in einem strengen Zulassungsverfahren auch eine nachträgliche Marktbeobachtung für alle Produkte verlangt. Das trifft auch Nischenprodukte, von denen Königsee Implantate nur wenige pro Jahr absetzt, beispielsweise Implantate für Kinder mit Glasknochenkrankheit. Der Zulassungsaufwand übersteigt den Umsatz. „Die Produkte rechnen sich nicht mehr.“Königsee Implantate will auch diese Herausforderung meistern.
Wie er es schafft, innovativ zu bleiben? „Man muss ein bisschen verrückt sein“, sagt der Chef von 191 Beschäftigten. Er setzt schon in der Lehre auf Exzellenz. Als der Kooperationspartner absprang, gründete er 2009 ein Ausbildungszentrum im ehemaligen Ferienheim im Ortsteil Unterschöbling. Der Anspruch: Stets sollte einer der Auszubildenden zu den besten im Kammerbezirk zählen. „Das ist bis heute gelungen“, sagt Orschler stolz.