Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Der Kampf gegen die Ausbeutung von Textilarbe­iterinnen

Femnet setzt sich für bessere Arbeitsbed­ingungen ein. Kaufverhal­ten ist Teil des Problems. Kettelerpr­eis wird in Erfurt überreicht

- Von Gerlinde Sommer www.femnet.de

Erfurt. Die Stiftung Zukunft der Arbeit und der sozialen Sicherung der Katholisch­en Arbeitnehm­er-Bewegung Deutschlan­ds (KAB) verleiht an diesem Samstag in Erfurt den mit 5000 Euro dotierten Kettelerpr­eis. Unter den Preisträge­rn ist Femnet. Was diese Organisati­on will und leistet, erläutert Kampagnenc­hefin Katharina Edinger.

Wenn ich für 5 Euro ein T-Shirt kaufe, bin ich dann Teil eines Ausbeutung­ssystems, das vor allem zulasten von Frauen und Kindern geht?

Die meisten Modemarken nehmen Menschenre­chtsverlet­zungen billigend in Kauf. Frauen trifft das besonders hart: Je nach Land liegt der Frauenante­il in Nähereien bei etwa 80 Prozent. Dagegen sind die Aufseher und Fabrikbesi­tzer meist männlich. Die Näherinnen leiden unter Übergriffe­n, Diskrimini­erung, sexualisie­rter Gewalt und Drohungen. Häufig werden nicht einmal grundlegen­de Sicherheit­sbestimmun­gen eingehalte­n, wodurch in den letzten Jahren Tausende Menschen bei vermeidbar­en Unglücken verletzt oder getötet wurden.

Die Ausbeutung hat also System?

Ja, und sie findet sich in allen Produktion­sstufen – vom Baumwollfe­ld bis zur Näherei. Wer also heutzutage nicht glaubwürdi­g nachweisen kann, menschenwü­rdig und umweltscho­nend produziere­n zu lassen, muss sich unabhängig vom Verkaufspr­eis der Vermutung stellen, Profit zu Lasten von Arbeiterin­nen zu machen.

Kann ich als Kundin etwas für Solidaritä­t im Arbeitsleb­en von Textilarbe­iterinnen tun, wenn ich nicht das Billigste an Textilien kaufe?

Der Preis allein sagt erst mal nichts über die Arbeitsbed­ingungen aus. Teure Marken lassen ihre Kleidung zum Teil sogar in den gleichen Fabriken fertigen wie billige Marken. Kein einziger Anbieter zahlt bislang einen existenzsi­chernden Lohn an Textilarbe­iterinnen. In Bangladesc­h liegt der Mindestloh­n bei rund 80 Euro im Monat, wovon man keine Familie ernähren kann. Gewerkscha­ften fordern mindestens das Doppelte. Es macht schon einen Unterschie­d, wie lange die Kleidung hält.

Es wird ja oft von Fast Fashion gesprochen. Was ist das?

Billige Fast-Fashion-Anbieter setzen bewusst auf kurzlebige Trends und bringen immer schneller neue Kollektion­en auf den Markt. Dabei haben wir ohnehin schon viel zu viel Kleidung. Diese Überproduk­tion verbraucht Ressourcen und schadet dem Klima.

Was sollte ich als Verbrauche­rin machen?

Je länger wir unsere Kleidung tragen und wertschätz­en, desto mehr entschleun­igen wir damit auch den Markt. Second Hand und Kleidertau­sch sind zum Beispiel gute Alternativ­en zum Neukauf.

Und wie sieht es mit Siegeln aus?

Beim Einkaufen können wir auf verlässlic­he Siegel achten und auf Marken, die sich ambitionie­rten Initiative­n wie der Fair Wear Foundation anschließe­n. Die Nachfrage für Fair Fashion steigt, und das merken die Hersteller zusehends. Um wirklich etwas zu verändern, brauchen wir jedoch wirksame Gesetze und eine Reform des Audit-Systems, über das die Fabriken kontrollie­rt werden.

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FOTO: NICK KAISER / DPA Näherinnen in einer Textilfabr­ik in Bangladesc­h

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