Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Kurzfilme aus aller Welt
Das Backup-Festival in Weimar feiert sein 20-jähriges Bestehen
Weimar. „Endzeit“, ein zwischen Weimar und Jena angesiedelter Zombie-Spielfilm, der international für weitaus mehr Furore sorgte als national, dauert neunzig Minuten. Dennoch stand er jetzt nicht zufällig am Beginn des fünftägigen Kurzfilmfestivals Backup, das in Weimar gerade 20-jähriges Bestehen feiert. Er steht für die Besonderheit der Bauhaus-Universität, seit Jahrzehnten Filmkunst und Filmschaffende aller Art hervorzubringen, ohne eine klassische Filmhochschule zu beherbergen; hier kann man „nur“Medienkunst und Mediengestaltung studieren.
Die aus Jena stammende Illustratorin Olivia Vieweg sieht hier eine in eine Stärke verwandelte Schwäche: „dass die Leute an der Bauhaus-Uni eine andere Biografie haben“als an Filmhochschulen. Sie denken demnach freier und größer; Autoren sind häufiger ihre eigenen Regisseure oder auch Kameraleute.
Vieweg schloss ihr Studium der Visuellen Kommunikation 2011 mit „Endzeit“ab. Das war damals kein Film, sondern ein Comic: eine Graphic Novel. In einer Drehbuchwerkstatt in München befasste sie sich Jahre später mit deren filmischer Adaption und traf dort die Producerin Claudia Schröter von „Grown-Up-Films“aus Erfurt. Die legte ihrer Chefin Ingelore König Viewegs Buch auf den Tisch, welche wiederum dachte: „Das kann doch nicht wahr sein!“Womit sie meinte, dass man erst nach München fahren muss, um so ein Talent zu treffen, das nur 25 Kilometer von Erfurt entfernt zu finden wäre.
Bislang kaum Kontakte zwischen Medienstudenten und Filmwirtschaft
„Es wäre wichtig, dass sich die Bauhaus-Uni und die mitteldeutsche Filmwirtschaft miteinander vernetzen“, rief König nun vom Eröffnungspodium des Backup-Festivals. Denn man kennt sich untereinander offensichtlich kaum. König sagte zudem der zuständigen Vizepräsidentin Nathalie Singer im Namen des Mitteldeutschen Film- und Fernsehproduzenten-Verbandes (MFFV) eine „Bedarfsanalyse“ihrer Branche zu. Auch die leidet nämlich am Fachkräftemangel und sucht händeringend Kamera- und Tonleute ebenso wie Requisiteure oder Maskenbildner.
Claas Danielsen bestätigte das unter anderem mit Blick auf den Nachwuchsbedarf für Internet-Serien. Er ist Chef der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), von der Weimarer Medienstudenten noch nie etwas gehört haben. Aus Gründen wie diesen rief einer von ihnen, Joshua Reiher, an der Uni unlängst eine „Filminitiative“ins Leben, um gleichsam dem zu begegnen, was Olivia Vieweg erfuhr: Filmhochschulen hätten „ein viel größeres Netzwerk“.
Gäbe es eine Filmhochschule in Weimar, das Backup-Festival wäre nie gegründet worden. Es entsprang
1999 einer studentischen Initiative nach der Erfahrung, mit eigenen Filmen auf anderen einschlägigen Festivals nicht landen zu können. Stattdessen landen nun Kurzfilme von Studenten und Absolventen aus Kunst- und Gestaltungsstudiengängen in aller Welt in Weimar.
Im Jubiläumsjahr zählte das Festival, das seit 2015 Bestandteil der Lehre ist, 3000 Einreichungen aus
120 Ländern. Für den Wettbewerb wählte eine Jury achtzig Beiträge aus, zwischen zwei und zwanzig Minuten lang. An diesem Samstag werden sechs Preise verliehen: der 1500 Euro schwere Hauptpreis, jeweils mit 1000 Euro dotierte Spartenpreise für Experimental-, Animationsund Spielfilme, ein ebenso dotierter Sonderpreis der Achava-Festspiele für ein gesellschaftlich relevantes Thema sowie ein 500-Euro-Publikumspreis.
„Backup“ist ein Fachbegriff der Datensicherung. Sich seiner selbst und seiner Möglichkeiten zu versichern und zu vergewissern, war von Anbeginn eine Grundidee des Festivals, das bis heute von jährlich 100 Studenten organisiert wird. Diesmal hat man den Namen aber erweitert: „Backup and Beyond“heißt die 21. Ausgabe. Diese blickt, so die neue Festivalkoordinatorin Lena Liberta, selbst Filmemacherin und Moderatorin, sowohl zwanzig Jahre zurück als auch voraus. So befasste sich ein Podium am Donnerstagmittag mit Ressourcenverschwendung in der Filmbranche, ein anderes widmet sich am Samstagnachmittag dem Thema „Erzählen in der Zukunft – Film, Kunst & künstliche Intelligenz“.
MDM-Chef: „In Thüringen muss mehr passieren!“
Das internationale Backup-Filmfestival ist gleichsam selbst eine Sicherungskopie über den Tag hinaus. Es steht stellvertretend für einen Standort des Filmemachens, der so vielversprechend wie immer noch unterbelichtet ist. Der den Thüringer Hochschulen aufgezwungene Sparkurs führte in Weimar etwas dazu, dass Lehrstühle im Bereich Bewegtbild wegfielen, wie Vizepräsidentin Nathalie Singer erinnerte. Und Thüringen macht, im Vergleich zu Sachsen und Sachsen-Anhalt, im Filmgeschäft immer noch „am wenigsten“, so MDM-Chef Danielsen. Hier gebe es zwar die Fokussierung auf Kindermedien, „aber ich glaube, da muss noch mehr passieren!“Dafür aber müsste das Land, so Produzentin Ingelore König, das Land aber Geld in die Hand nehmen, sowohl in der Ausbildung als auch in der Filmförderung, „und zwar richtig viel Geld!“