Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Currywurst auf Bananenblatt
Beim städtisch en Weih nach tsmarkt wird größtenteils auf Plastikfreih eit geach tet
Erfurt. Düsseldorf tut es, Hagen auch. Und Kassel. Alle haben den plastikfreien Weihnachtsmarkt ausgerufen. Und auch in Erfurt setzt man in diesem Jahr – zumindest theoretisch, folgt man den Ankündigungen von Marktmeister Sven Kaestner - erstmals auf Pappe, Papier und Holz. Zumindest bei den Ständen, die unter städtischer Aufsicht stehen. Die privaten Alternativen machen ihr Ding. Und da fällt auch die Selbstkontrolle schnell mal unter Tisch, wird weiter lustig mit Kunststoff hantiert, wenn die Kaloriensüchtigen ihrem kulinarischen Hobby nachgehen. Ein Rundgang soll Klarheit bringen.
Am Anger sieht es gut aus. Metalllöffel zum Umrühren des weinhaltigen Heißgetränkes, am Luthermarkt werden ganz vorbildlich mit Holzbesteck die Pommes rot-weiß traktiert. Selbst die Stäbchen für den Kaffee – Holz. Am Dönergrill nebenan sieht man das nicht so eng. Plastikteller stapelweise. In der Meienbergstraße lässt ein kleiner privater Hinterhof-Weihnachtsmarkt erst gar keine Zweifel aufkommen. Glühwein ist nicht. Aber Bier. Das gibt’s aus Pfandflaschen und das Abfallproblem ist umweltfreundlich umgangen.
Wenigemarkt. Da stehen sie, die Antipoden. Ein Glühweinstand setzt brav, so wie gewünscht, auf Holzrührelemente, der Nachbar hingegen auf Technopolymere, umgangssprachlich Plastik. Auch die Waffelhütte hat nichts gegen Besteck aus Kunststoff. Kontrolle braucht hier keiner zu fürchten. Der Markt wird privat betrieben. Einzig die Kundschaft könnte, wenn sie wollte, mosern. Tut sie aber nicht. Geht’s noch schlechter? Geht. Direkt unter der Nase des Oberbürgermeisters – im Si-Ju. Der Glühwein aus Schaumstoff-Thermobechern. Pfandfrei. Der Zecher muss sie nicht mal zurückbringen. Dass man die anbiete, sei Sache des Chefs, sagt die freundliche Verkäuferin. Warum das, auch wenn es eine private Hütte ist, aber noch keiner im Rathaus, dem Vermieter des Restaurants, gemerkt hat, weiß der Nikolaus. Tadelsfrei hingegen ist das kleine Hüttendorf auf dem Fischmarkt.
Am Domplatz, dem Kernbereich der städtischen Weihnachtsbelustigung, fallen als erstes die Kaffeesahnedöschen ins Auge. Reinstes Plastik. Am Bratwurststand nebenan – oh Schreck! – Plastikbesteck. Für die Kartoffelpuffer. Der Nachbar, dessen Angebot ähnlich ausfällt, hat auf Holz umgestellt. Schmeckt
auch. Um die Ecke wieder Bratwurst. Auf Pappunterlagen. Der Kesselgulasch wird in Pappschüsselchen angeboten. So soll es sein. Denkt man und sieht zwei Damen genüsslich an irgendeinem undefinierbaren Mixdrink nuckeln. Mit schwarzen Plastiktrinkhalmen. Welch Sünde. Und das, obwohl das Europaparlament gerade erst die Halme zum Teufelszeug erklärt hat. Laut einer Studie schmeißen die Leute per anno 36,4 Milliarden Einwegstrohhalme in der EU weg. Einige davon auf den Domplatz.
Zwei Erfurter Händler zeigen sich indes vorbildlich. Bei Bäcker Rüger wird der Kaffee hölzern gerührt. Den Vogel aber schießt Zitzmanns Hüttengrill ab. Die Currywurst wird in einer Schüssel aus getrockneten und kompostierbaren – Bananen- oder Palmenblättern! – serviert. Tolle Idee.
Rückfall in dunkle Zeiten der
Makromoleküle auf der Domterrasse. Fahner Glühwein ist nur echt, wenn er mit Rührstäbchen aus Plastik bewegt wird. Und einige Meter weiter wandelt man im Schutz der großen Weihnachtspyramide auf den Spuren des Si-Ju. Glühwein aus Schaumstoffbechern. Pfandfrei. Und auch den geschmorten Grünkohl mit Wurst gibt es auf Plastikgeschirr. Da hat der Herr Weihbischof Hauke als Vermieter des Terrains wohl nicht genau hingeschaut.
Fazit: Mindestens 80 Prozent der Händler auf dem städtischen Weihnachtsmarkt halten sich an das Geforderte. Nachhaltig und kompostierbar soll sein, was man zum Verzehr braucht. „Das ist noch zu wenig“, sagt Marktmeister Sven Kaestner, gibt aber auch zu bedenken, dass so manche weiße Gabel tatsächlich kompostierbar sein könnte. Da müsse man genau prüfen. Und es gibt eben die Dinge, kandierte Äpfel z.B., die verpackt werden müssten. Null Toleranz aber bei Plastikbesteck und -stäbchen, Trinkröhrchen aus Kunststoff.
„Wir haben Reinigung und Entsorgung beim Weihnachtsmarkt genau kalkuliert. Und 15 Abfallbehälter á 240 Liter Fassungsvermögen extra aufgestellt“, so Kastner. An den Kosten werden die Teilnehmer des städtischen Weihnachtsmarktes beteiligt. Die privaten Märkte nehmen diese kommunale Leistung umsonst in Anspruch. Und sorgen mit ihrem Plastikmüll dafür, dass noch mehr Abfall anfalle. Siehe pfandfreie Thermo-Schaumstoffbecher. Er appelliere daher, sich freiwillig an den städtischen Vorgaben zu orientieren. Die Außendienstler werden ihr prüfendes Auge jedenfalls weiter vorweihnachtlich schweifen lassen. Und im Rathaus könnte man ja beim Si-Ju gern mal ein Wort als Vermieter verlieren.