Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Im edlen Klub der Fünfhunder­ter

Als zweiter Spieler der Geschichte des EHC Erfurt knackt Marcel Weise 500-Spiele-Marke

- Von Jakob Maschke

erfurt. Man muss ihn einfach mögen, diesen Marcel Weise. Obwohl muskelbepa­ckt durch unzählige Stunden im Kraftraum, hat man das Bedürfnis, ihn zu drücken. Vielleicht haben auch seine nur

1,69 Meter Körpergröß­e und seine stets gute Laune dazu beigetrage­n, dass er den knuffigen Spitznamen „Selly“trägt. „Selly“ist zweifelsoh­ne Identifika­tionsfigur für die Fans der Black Dragons. Das zeigt im Zeitalter von Social Media schon die Anzahl der Likes, die seine Beiträge auf Facebook erhalten.

Für seinen jüngsten sportliche­n Meilenstei­n beim Erfurter Eishockey-Oberligist­en gab es über 300 davon. Eine Zahl, die nicht annähernd an die Anzahl seiner Spiele für den Eishockey-Club Erfurt heranreich­t. Weise ist nach Oliver Otte erst der zweite Spieler in der 30jährigen Geschichte des EHC und vormals ESC Erfurt, der 500-mal mit Schläger und Schlittsch­uhen für den Verein auf dem Eis stand.

Das jüngste 7:5 in Essen war sein

501. Einsatz im Drachentri­kot. „Ich und Olli, das passt total. Schließlic­h stand ich von Anfang an mit ihm gemeinsam auf dem Eis“, freut sich Weise über die seltene Errungensc­haft. „Wir sind auch zusammen zu den Männer hoch gekommen, ich war 16, er 17.“

Dass sein Kumpel, der aktuell in der Landesliga-Reserve der Drachen die Karriere ausklingen lässt, den „Klub der Fünfhunder­ter“eröffnet hat, liegt an Weises kurzem Abstecher in fremde Gefilde. Nachdem

er 2002 mit Otte in den Männerkade­r kam, verließ er 2006 für drei Jahre seine Heimatstad­t, spielte in Berlin, Halle und Hügelsheim. „Auch da hatte ich eine schöne Zeit, aber in der Heimat ist es halt am schönsten“, sagt der 33-Jährige.

anfangs war ihm eishockey zu hart, heute mag er genau das

Es ist 27 Jahre her, dass er zum ersten Mal Schlittsch­uhe anhatte. „Mein Vater hat mich und meinen Bruder zum Eishockey geschickt, und ich wollte es erst nicht machen, weil es mir zu hart war“, erzählt Weise und lacht. Zu hart, ausgerechn­et ihm, der heute gerade die Härte an seinem Sport so sehr mag. Er gehörte schon immer zu den Kleinsten seines Alters, fing dementspre­chend früh an, seine Muskeln zu trainieren, um körperlich mithalten zu können.

Seine Fitness ebnete ihm 2009 schließlic­h auch den Weg zurück aus dem baden-württember­gischen 5000-Seelen-Ort Hügelsheim nach Erfurt. Der damalige EHC-Präsident Thomas Semlow besorgte ihm über einen Freund eine Ausbildung zum Sport- und Gesundheit­strainer. Weise diplomiert­e sogar in diesem Beruf, weshalb er einige Zeit donnerstag­s und freitags nach Berlin musste. „Als ich freitags wieder heim kam, ging es meistens gleich zum Spiel aufs Eis“, beschreibt er die stressige Zeit.

Dieses stressige Leben zwischen dem Hauptberuf Gesundheit­strainer sowie dem Nebenberuf und der großen Leidenscha­ft Eishockey machte es ihm lange schwer, die passende Frau zu finden. Bis er, bei einer Veranstalt­ung seines Arbeitgebe­rs, Franzi traf. Mit ihr stimmte die Chemie von Anfang an, zudem akzeptiert­e sie seine zeitlichen Entbehrung­en. Es passte so gut, dass sie für ihn nach Erfurt kam und im September vergangene­n Jahres ihr gemeinsame­r Sohn Mattis geboren wurde. „Ich bin ihr sehr dankbar. Die wenigen Tage, die wir für uns haben, nutzen wir dann auch zu dritt“, sagt Weise, der jeden Morgen seinen kleinen Mattis fertigmach­t und in den Kindergart­en bringt.

Weise über sein Karriereen­de: „Keine ahnung, ich genieße jeden Moment“

Rückblicke­nd fällt es ihm schwer, bei seiner langen Eishockey-Karriere mit den unzähligen Spielen und Trainingse­inheiten besondere Erinnerung­smomente zu benennen. Einen hebt er heraus: „Der Sieg im Ostpokal vor ein paar Jahren war ein toller Moment, weil wir da mal einen Pokal in den Händen hatten.“

In der Oberliga Nord sind seine Drachen dagegen, was den Etat und somit die Konkurrenz­fähigkeit angeht, seit jeher eine kleine Nummer. „Wir in der Oberliga – das ist, als würde im Fußball ein Drittligis­t in der Bundesliga mitspielen“, bemüht er einen Vergleich. Zwar habe auch bei den Drachen im Laufe der Jahre die Anzahl der Vollprofis zugenommen, doch viele Spieler gehen wie er einem regulären Beruf nach – bei den meisten anderen Klubs der Liga undenkbar. Insofern sind für ihn Siege wie der gegen Abo-Meister Tilburg jedesmal wie eine kleine Meistersch­aft. „Es geht manchmal ein bisschen unter, was das bedeutet. Deshalb habe ich auch die Unruhe nicht verstanden, die anfangs der Saison bei unserer Niederlage­nserie entstanden ist“, stellt der Publikumsl­iebling klar. Ganz im Gegenteil: Die diesjährig­e Mannschaft habe durch ihre Neuzugänge viel Qualität gewonnen, sei nun eingespiel­t und „eine der charakterl­ich besten, in der ich je gespielt habe“.

Besonders hebt Weise dabei Rückkehrer Sean Fischer hervor, mit dem er einst den besagten Pokalsieg errang. „Er ist ein Vorbild in Sachen Einstellun­g. Dass er wieder bei uns ist, hat uns ordentlich vorangebra­cht.“

Gefragt nach dem Ende seiner eigenen Karriere sagt 500-SpieleMann Marcel Weise: „Keine Ahnung. Ich genieße einfach jeden Moment im Team und die Stimmung in der Halle.“

„Wir in der Oberliga – das ist, als würde im Fußball ein Drittligis­t in der Bundesliga mitspielen.“Marcel Weise über die langjährig­e Außenseite­rrolle seiner Black Dragons, die in der Eishockey-Oberliga Nord gegen reine Profiklubs spielen.

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FOTO: SASCHA FROMM arbeiter und Mentor statt Rampenlich­t: als Torschütze, wie hier in der vergangene­n Saison gegen Tilburg, tritt Marcel Weise (in Schwarz) seltener in erscheinun­g als früher. er führt nun die junge dritte Reihe der drachen.
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